Volltext: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 25 (1872))

496 Entscheidungen des R.-O.-H.-G. in Handels- u. Wechselsachen.
nähme habe der Appellaiionsrichter Art. 345 des H.-G.-B.,
§§ 128—130 I, 11 Absch. verletzt. Es habe eine Ablieferung in
Stumsdorf im Sinne des Art 347 H.-G.-B. gar nicht stattge-
funden.
Dieser Angriff ist verfehlt. Der Appellationsrichter geht von
dem unstreitigen Thatbestand aus, daß Beklagter die auf dem
Bahnhof Stumsdorf zu liefernde Gerste, welche daselbst in die
Eisenbahnwagen zum Weitertransport verladen werden sollte, der
Bahnverwaltung in Abwesenheit des Klägers übergeben hat, und
führt aus, daß an diese „Ablieferung" sich die unverzügliche Unter-
suchungspflicht des Klägers geknüpft habe. Daß überhaupt die
Uebergabe der Waare an den Spediteur oder die Eisenbahn der
Tradition im Rechtssinne durchaus gleichstehe, hat er weder aus-
gesprochen noch unterstellt, kann also die bezeichneten Gesetze nicht
verletzt haben. Meint Implorant aber, daß eine „Ablieferung"
im Sinne des H.-G.-B. Art. 347 nothwendig mit der Tratition
zusammensalle, so übersieht er in thatsächlicher Beziehung, daß
unter den vom Appellationsrichter unterstellten, processualisch nicht
angefochtenen factischen Voraussetzungen in der Ablieferung sehr
wohl eine Tradition gelegen haben kann, in rechtlicher Beziehung,
daß die „Ablieferung" nicht nothwendig eine An- und Abnahme
voraussetzt, vielmehr unter Umständen abgeliefert sein kann, ohne
tradirt zu sein. Denn „Ablieferung" im Sinne des Art. 347 bis
349 H.-G.-B. ist derjenige Akt, durch welchen der Verkäufer den
Käufer in die Lage setzt, über die Waare thatsächlich verfügen und
deren Beschaffenheit untersuchen zu können. Üb diesem Akte eine
Annahme und Abnahme seitens des Käufers thatsächlich entspricht
ist gleichgültig, sofern nur die tatsächliche Möglichkeit, und die
rechtliche Verpflichtung zur Annahme und Abnahme vorliegt. Die
unterbliebene Abnahme schließt daher, auch wenn die Abnahme
nach Übereinkunft geschehen sollte, nicht aus, daß die „Ablieferung"
vertragsmäßig erfolgt ist, sofern, nach der processualisch unange-
fochtenen Feststellung des Appellationsrichters, das Verkäufer die
unterlassene Abnahme sich selber beizumessen hat, und unstreitig
die Ablieferung durch Abgabe an die Güterexpedition zu Stums-
dorf zum Weitertransport geschehen sollte.
Vergl. auch Urtheil des Obertribunals zu Berlin 1868.

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