Full text: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 22 (1871))

296 Großherzogthum Baden. Art. 61. 62. 64. Ziffer 6.
habe, an diesem Tage den Dienst zu verlassen, ungeachtet er nach
dem erwähnten Gesetze zur Fortsetzung desselben bis zum 1. April
1870 berechtigt sei. Der Beklagte hielt, ohne im Uebrigen den
Klagvortrag zu bestreiten, folgende Einreden entgegen:
1. Am 1. October 1869 sei unter den Parteien vereinbart
worden, daß jedem Theil jederzeit sechswöchentliche Kündig-
ung freistehen solle;
2. Der Kläger habe die Kündigung auf 15. Januar 1870
ausdrücklich und stillschweigend angenommen;
3. Der Beklagte sei zur Aushebung des Dienstverhältnisses
berechtigt gewesen, weil der Kläger sich einem unsittlichen Lebens-
wandel ergeben habe. (Art. 64 Ziff. 6 vgl. Art. 62 H.-G.-B.)
„Ten Beweis der zur Begründung angeführten Thatsachen
hat der Beklagte zu führen und zwar auch hinsichtlich des ersten
Vorbringens, weil dasselbe nicht etwa die tatsächliche Aufstellung
eines zum Wesen des fraglichen Dienstverhältnisses gehörigen Er-
fordernisses, sondern einen von der in Art. 61 gegebenen Regel
abweichenden und darum willkürlichen Zusatz enthält, welcher als
solcher von der behauptenden Partei erwiesen werden muß."
Die Einreden unter 2 und 3 wurden für unerheblich erklärt
und deßhalb zu 1 auf Eid erkannt.
„Die vorgebliche Antwort des Klägers auf die Kündigung
mit dem Worte „gut" drückt keineswegs eine Zustimmung des
Klägers nach dem Sinne des Beklagten aus, sondern besagte: „wir
werden sehen" oder „ich habe es gehört", ist sonach nur eine
Empfangserklärung über die erhaltene Kündigung. Ebensowenig
vergab Kläger sein vertragsmäßiges Recht, indem er unterließ, mit
dem Beklagten darüber zu streiten, und eine anderweite Stelle auf
den 15. Januar suchte; es war dies vielmehr ein seinem Ver-
hältniß zu dem Beklagten und der Lage, in welche ihn dieser ge-
bracht hatte, durchaus angemessenes Benehmen, denn selbstver-
ständlich durfte Kläger die Aufsuchung einer neuen Stelle nicht
bis nach vollzogenem Austritte verschieben und mußte dem Kläger
selbst erwünscht sein, nicht gegen den Willen des Beklagten länger
in dessen Diensten zu bleiben, ohne daß er jedoch, wenn seine Be-
mühungen wegen einer anderen Stelle aus den 15. Januar keinen
Erfolg hatten, sein Recht an den Beklagten verlor, darauf nicht

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