Full text: Archiv für das preußische Handels- und Wechsel-Recht (Bd. 1, H. 3 (1846))

Rechlssprüche.

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haben und diese Vormünder sind in dieser Beziehung als seine Be-
vollmächtigte anzusehen, wie das A. L. R. §• 235. 4hl. If. Tit. 18.
ganz ausdrücklich bestimmt. Hiernach pflegt eS nun allerdings ge-
wöhnlich der Fall zu sein, daß die Handlungen und Rechtsgeschäfte,
welche bei der Administration deS Vermögens des Curanden Vorkom-
men, durch die Vormünder vorgenommen und vollzogen werden, und
daß daS vormundschaftliche Gericht dabei nur die Direction führt und
die nöthigen Autorisationen crtheilt; indessen kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß dem vormundschaftlichen Gerichte die Befugniß unbe-
nommen ist, solche Handlungen und RcchtS - Geschäfte selbst und un-
mittelbar, ohne Zuziehung der Vormünder, im Interesse seiner Curan-
de« vorzunehmen. Denn wie der Machtgebcr durch die Bestellung des
Bevollmächtigten keineswegs seine Befugniß aufgegeben hat, daS auf-
getragrtie Geschäft auch beliebig noch selbst i» eigener Person zu be-
treiben, eben so wenig ist dieses bei dem vormundschaftlichen Gerichte
in Beziehung auf den Geschäftsbetrieb der von ihm bestellten Vormün-
der der Fall, auch folgt dieses auS dem dem vormundschaftlichen Ge-
richte angewiesenen WirkungS-Kreise so sehr vo» selbst, daß eö der Ge-
setzgeber gar nicht für nölhig befinden tonnte, deshalb auch eine ausdrück-
liche, gesetzliche Bestimmung zu erlassen. Uebiigens ist auch im §.
299. 4it. 18 Tbl. II. deS Ä. L. R.:
„Handlungen, die daS vormundschaftliche Gericht ohne Zuziehung
des Vormundes, oder gar wider dessen Willen vorgenommen ha»,
ist kein Vormund zu vertreten schuldig,"
deutlich auSgedrückk, wie sehr der Gesetzgeber davon entfernt gewesen
ist, dem vormundschaftlichen Gerichte verbieten zu wollen, Handlungen
ohne Zuziehung deS Vormundes vorzunehmen.
Der Verklagte ist also offenbar im Jrrthume» wenn er meint, daß
daS hiesige Vormundschafts-Gericht ohne Zuziehung deS Voimundes
nicht über die Wechsel «zu. habe diSponiren können und daß die von
ihm ausgestellten Giros ungültig seien.
Der erste Richter, welcher dieser Meinung deS Verklagten beipflichtet,
stützt seine Argumentation darauf, daß ein Wechsel-Indossament einen
Vertrag vorstcllte und auf §. 10. Tit. 5 4hl. I. deS A. L. R., wel-
cher vor schreibt:
„Verträge, wodurch unfähige Personen verpflichtet werben sollen,
müssen durch die im Gesetz oder vom Richter bestellten Vormün-
der geschlossen werden
er übersieht aber hierbei, wie sehr eS außer der Absicht deS Gesetzgebers
liegt, an diesem Orte und durch dieses Gesetz etwaS über den Umfang
der Wirksamkeit der vormundschaftlichen Gerichte bestimmen zu wollen,
und daß daher dicS Gesetz, bei Beurthrilung der vorliegrndm Streit-
frage gar nicht maaßgebend sein kann.
Eben so unrichtig ist die zweite Annahme deS Verklagten, daß der
Kaufmann L. A. B. die Wechsel qu. als Vermögensstücke feines Cu-
Hl. 4

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