Full text: Abhandlungen civilistischen und criminalistischen Inhalts (Bd. 2 (1837))

230 Ueber den Geist -eS deutschen CriminalprozesseS re.
zender für Nachahmung steht dem Deutschen Frankreich vor
Augen. Ein Theil Deutschlands hat noch immer französi-
sches Recht und meint eben dadurch etwas Voraus vor den
andern Deutschen zu haben; hier kehrt man denn immer daS
Glänzende der Sache vor und verdeckt die Schattenseite,
und diejenigen, welche als Laien unmöglich ein umsichtiges
Urtheil haben können, sind schon deshalb für daS französische
Recht, weil sie glauben, etwas zu verlieren. Und in der
Thar ist das französische Recht mehr auf dem demoerati-
fchen Princip aufgebaut, als alle andere Rechte der Welt,
und auS diesem Standpunkte hat das Volk gewiß recht,
wenn cS an ihm hält. Aber in juristischer und wissenschaft-
licher Hinsicht stellen die Franzosen selbst ein so ungünstiges
Zeugniß ihrem Strafrechte aus, daß jeder Unbefangene schon
deshalb Bedenken haben sollte. Bei den beständigen Verän-
derungen , namentlich in Hinsicht auf die Jury, ferner bei
dem principlosen Stande der Beweislehre hat auch die sonst
kräftige französische Jurisprudenz hier nichts leisten können.
Am meisten Schaden haben der guten Sache diejenigen
deutschen Rechtsgelehrten gethan, welche unbekannt mit der
Dogmengeschichre und Praxis, die in die Wissenschaft der
neuesten Zeit in Deutschland führt, eingearbeitet in das fran-
zösische Recht gleichsam pro domo kämpften, und sich nur
dadurch nationalisiren wollten, daß sie behaupteten, die Fran-
zosen seyen auch Germanen und hätten die germanischen Ein-
richtungen reiner bewahrt, als wir diesseits des Rheins.
Aber diese Herren vergessen dabei, daß am Ende von ein-
zelnen in der französischen Revolutionszeit gemachten Ein-
richtungen die Rede ist.
Die Geschichte wird einst den kommenden Geschlechtern
erzählen, daß Verfertiger deutscher Gesetz-Entwürfe das fran-
zösische Licht, wie Insekten, umflogen, aber auch, so wenig,
wie diese, den Folgen des falschen Elements entgingen.
Die Nation und die Regierungen sind zu ernst, als daß
sie sich von dem Augenblicke bestimmen ließen, aber Pflicht
der Gelehrten ist es, dasjenige vorzubereiten, worüber es im
Laufe der Zeiten, da ein Stillstand unmöglich ist, zum Be-
schlüsse kommen muß.
Es gibt zwar nicht Wenige, welche von einem Alles be-

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer