Full text: Abhandlungen civilistischen und criminalistischen Inhalts (Bd. 2 (1837))

288 Weber de« Geist des deutschen CriminalprozesseS re.
Nur das wird dem römischen Recht auch im 6ten Jahr-
hunderte nicht genommen werden können, daß es den Geist
hoher Bildung, also Begründung des Rechts nach Prinei-
pien und Spuren der Wissenschaft und Humanität derjeni-
gen, die das Recht lehrten und handhabten, in sich trägt.
Dieser Geist ging dann auf diejenigen über, welche die
Quellen des geistlichen RechtS bildeten, weshalb das kano-
nische Recht überall schon äußerlich in einer gewissen Ver-
bindung mit dem Genius des römischen Rechts hervor-
tritt, wobei die Sprache nicht geringen Einfluß hatte. Das
kanonische Recht bemeifterte sich eigentlich der germanischen
Welt in den Dingen des öffentlichen Lebens, und daher ist
nichts natürlicher, als die Uebertragung der JnquisitionS-
maxime auf das Strafrecht. Namentlich aber ist das Stre-
ben deö römischen und kanonischen Rechts nach materieller
Wahrheit dem fatalistischen germanischen Rechte gegenüber
eben so hoch anzuschlagen, wie überhaupt das hereinbrechende
Licht der antiken Vernunft in den klassischen Werken, und
die Weihe unseres ganzen Wesens in der himmlischen Moral
deS Christenthums. Der kanonische Prozeß bildete das Ideal
für die weltlichen Gerichte, namentlich in der Veweistheo-
rie. Diese regelte sich auch in der That mit Hilfe der Phi-
losophie jener Zeit besser, als es im römischen Rechte ge-
schehen war, und liberale Instructionen großer Päbste vess-
vollkommneten praktisch die angenommenen Grundsätze. Aber
wahr ist es, immer blieb man dabei stehen, festzusetzen, waö
nicht als Beweismittel gelten solle, also man blieb im Ne-
gativen, und getraute sich nicht zu einem positiven System
des Beweises zu erheben. Das Geständniß und die schon in
der Bibel und zugleich im römischen Rechte angenommenen
zwei Zeugen waren freilich feste Anker, aber sie sollten nicht
die einzigen seyn, und doch war man über andere Beweis-
kräfte im Dunkeln.
Wenn Schwarzenberg nicht ein Mann von so schlich-
ter, einfacher, aber fester Gesinnung gewesen wäre, so würde
wahrscheinlich durch sein Werk eine Beweistheorie nicht ge-
schaffen worden seyn, denn die Zeit war nicht reif dazu,
und so geschah es auch, daß nur durch Hilfe eines sehr ver-
werflichen Mittels, nämlich der Tortur, ein wahres System

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