10.2.
Von der ignorantia juris bei den Weibern
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II.
Von der ignorantia juris bei den Weibern.
Nicht leicht ist ein Punkt in unfern Reehtsquellen nn-
deutlicher entschieden/ alS dieser. Man kann eine Masse von
Meinungen hier anführen, ohne dadurch zu einer tteberzen-
gung zu kommen; daher wollen wir diesen Weg umgehen
und lieber zu den vielen Meinungen noch eine neue zuthun;
vielleicht daß dieselbe den einen oder andern Anhänger ge.
winnt. Gewiß ist es/ daß das römische Recht die Minder-
jährigen hier mehr und entschiedener begünstigt, als die
Weiber/ obgleich man schwerlich je darüber ganz einig
war/ wie sich die Minderjährigen und Weiber hier von ein-
ander unterscheiden sollten. Den Minderjährigen soll unbe-
dingt der error jun's zu Gute kommen/ den Werbern nicht.
Wir sinden in Hinsicht auf die Weiber ganz allgemein lau-
tende Sätze; Juris error nee foeminis in compendiis
prodest, ceterum omnibus juris error in damnis amit-
tendae rei suae non nocet '), ferner quamvis in luero
nec foeminis jus ignorantibus subveniri soleat —
Wir finden ferner in Beziehung auf dic juris ignorantia bei
den Weibern Stellen , die zwar nicht durchaus diesen allge-
meinen Ansichten entgegen stehen, aber sie doch sehr — wenn
freilich immerhin unbestimmt — beschränken ' z. B. minori-
bus XXV. annis jus ignorare permissum est. quod et
in foeminis in quibusdam causis propter sexus infirmi-
tatem dicitur, wobei unmöglich auf die Fälle des damni
amittendae rei gedacht seyn kann, weil hier ja auch die
majores entschuldigt werden können: daher auch die 1. ult.
cod. 1. 18. nichts weiter sagt, als die Weiber sollen wegen
juris error nur entschuldigt werden, wo praeteritarum
legum auctoritas eis suffragatur, ohne ein Prineip auö>
zusprechen. Leicht könnte man nun verführt werden, anzu-
1) 1. 8. D. 22. 6.
2) I. 11. cod. 1.18.