Full text: Abhandlungen civilistischen und criminalistischen Inhalts (Bd. 1 (1833))

Bemerkungen über die Principien des Criminalprozesses. 2V5
Urkunde das Unheil der Schreiöverftändigen: also müssen
die unzureichenden juristischen Regeln durch eine moralische
Kraft verstärkt werden- und diese ist die Einstimmigkeit der
Anstcht der Geschworuen 72)> Die Geschwornen haben das
Vertrauen des Volks, der Angeschuldigte kann diejenigen,
auf welche er MiStrauen setzt, recufiren, man kann überhaupt
leicht aus dem Volke ein Collegium von Männern zusammen-
setzen , mit denen beide Theile zufrieden stnd, während die
rechtsgelehrten und zu bezahlenden Richter nicht in solcher
Unzahl zu haben stnd, auch giebt es Dinge, wie z. B. bei
gewissen Zuständen der Zurechnungsfähigkeit, wo daS Auge
des Verständigen nicht durchdringt, sondern die Wahrheit
von den Geschwornen herausgefühlt werden muß.
Aber in der That wohin führen alle diese Argumente?
die wissenschaftlichen Bestrebungen nach dem Ziele der Wahr-
heit und des Rechtö aufzugeben, die Rechtfertigung der
richterlichen Ueberzeugung durch objektive Gründe für
unnütz zu erklären, das Licht der Geschichte auözulöschen,
die Virtuosttäi des praclisch-juristischen Lebens gering zn
achten und mit einem Worte den Knoten zu durchhauen,
wie bei der Tortur.
Nicht aus dem Vertrauen kömmt die Wahrheit, so we-
nig wie aus dem Wort die männliche Kraft: nicht, wo
kein Mistrauen ist, ist Wahrheit, so wenig wie da, wo
kein Unkraut ist, für stch guter Saame und Frucht: und der
Jurist, welcher stch auf das allgemeine Rechtgefühl in
schwierigen Verhältnissen beruft, wo der juristische Verstand
nicht ausreicht, dem ergeht eS, wie solchen, die, weil sie
sich als Bürger eines städtischen Gemeinwesens oder als
Staatsbürger zu enge fühlen, die ideale Freiheit des Welt-
bürgers in Anspruch nehmen.
Aber für den Angefchuldigten ist die Wirkung des Um-
stands, von der Meinung Anderer abhängen zu müssen, die-
selbe, wie auf die Folter gelegt zu werden; denn ob eine

72) Ob Einstimmigkeit noch jetzt nöthig sey, oder Mehrheit, dar-
über streitet man stch, den eigentlichen Standpunkt der Jury
ganz verfehlend

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