Kurze Vemcrlimgen zur Lehre von» Petrug. 317
sonst iintt’i* ein Strafgesetz durch Interpretation nicht leicht
hätten gebracht werden können. In der späteren Zeit lies;
man gewiß auch den Stellionat auf solche Fälle anwcnden,
denn daö römische Recht liebt die Concurrcuzen ebenso sehr,
wie das logische Decorum der neueren Jurisprudenz sie haßt.
In der Tbat wurde dadurch der Dolksausdrnck von Falsch
in der Beziehung zu einem Rechtsgeschäfte für Fälschung
im juristischen Sinuc genommen, wobei dann juristische
Stellen, die nichts anders sagen wollen, als waS man im
Leben unter falsch versteht, technisch aufgefaßt wurden, z.
B. die bekannte Stelle von Paulus Hoc Sen. lib. V. tit. 25.
§. 3 Falsum est, quidquid in verifate non esl, sed pro
vero adseveralur.4) Allerdings war die Interpretation
vieler Fälle als quasifalsum darauf gebaut, daß eine falsitas
da fey, und cs hätte z. B auf den Fall des Scti Liboniani
durch die römische Jurisprudenz nimmermehr die poena le-
gis Corneliae angewendet werden sollen, denn cS ist dies
kein natura probrum, und keine falsilas: allein die falsi-
tas war nicht genug, sondern die Natur des Falles mußte
dringend und zum wenigsten so seyn, daß der Bethciligte
nicht leicht durch gehörige Vorsicht sich hätte helfen können.
Eben deshalb rechneten die Römer doppelte Verkäufe, dop-
pelte Verpfändungen hieher. Eine andere Rücksicht war
ihnen das allgemeine Interesse, wie z. B. bei falschen Maa-
ßen, bei Fälschungen des status u. f. w. Die deutschen Cri-
minalistcn haben nun sehr häufig den Gesichtspunkt der ju-
ristischen Politik übersehen, und daS hohle Wort „Fälschung"
zur Unterlage des Verbrechens genommen, auf römische
Stellen und Fälle sich beziehend.
2) Der Stellionat hat, wie schon das Wort zeigt, einen
Anfang in der persönlichen Gefährlichkeit eines Gauners,
wurde aber später benützt, um gleichsam eine generalis
clausula für eine Art gefährlicher Handlungen zu bilden.
Immerhin muß zugegeben werden, daß der Stellionat jetzt
etwas anders ist, als das Leben eines stellio, daß er jetzt
als einzelne Handlung hervsptritt, aber wieder gewiß nicht
4) Roch Feuerbach, §. 4.0, baut Alles auf diese nicht-sa»
gende Stelle.