Ein Erkenntniß d. Cassationshofes in Darmstadt rc., mitgetheilt v.* 17
auf Grund jenes Art. 11 der Vorrede v. 4. October 1850 einge¬
leitete Verfolgung für unzulässig, das Appel des Staatsanwalts
hiernach als objectlos und erledigt zu erklären sei. Die Einrede der
Unzulässigkeit erscheine als begründet, da der Angeklagte wegen des
nämlichen Artikels bereits verklagt und bestraft worden sei; wegen
einer und derselben Handlung — Aufnahme jenes Artikels in
die Zeitung — könne er als verantwortlicher Redacteur derselben
nicht zweimal in Strafe verurtheilt werden. Denn der Art. 360
der Criminalordnung verordne, daß der Freigesprochene nicht
mehr wegen derselben Thatsache („à raison du même fait") ange¬
klagt werden dürfe,*) eine Verfügung, welche sich hier um so mehr
anwende, als der Angeklagte wegen des gleichen Thatumstandes
sogar schon verurtheilt worden sei. Diese allgemeine Vorschrift
sei durch das Strafgesetzbuch nicht aufgehoben worden, finde viel¬
mehr indirect in dem Art. 113 ihre Bestätigung, weil hiernach eine
successive Verfolgung derselben Handlung und die mehrmalige
Bestrafung ihres Urhebers in Anwendung der mehreren strafrechtli¬
chen Bestimmungen, welche durch diese eine Handlung übertreten
worden seien, als unstatthaft erscheine. Hiervon ausgehend, müsse
man auch annehmen, daß in dem früheren Verfahren bereits der
ganze Inhalt jenes Artikels geprüft und darin nur das Vergehen
der Schmähung der bestehenden Regierungsform erkannt
worden sei, und daß, wenn darin ein weiteres Vergehen enthalten
sei, sowohl Ankläger als Gericht es festgehalten hätte. Auch könne
nicht eingewendet werden, der Angeklagte habe bei der gegen ihn
eingeleiteten ersten Verfolgung darum noch nicht wegen des in dem¬
selben Aufsatz begangenen Vergehens der Schmähung der Staats¬
behörden belangt und bestraft werden können, weil damals die nach
Art. 190 des St.-G.=Bs. s) hierzu erforderliche Ermächtigung der
Staatsregierung noch nicht vorgelegen habe. Denn der Art. 11 der
Preß=Verordnung mache nicht, wie der Art. 190, die Verfolgung
von einer solchen Ermächtigung abhängig. Diese Verfolgung hätte
daher ohne Weiteres von dem Staatsanwalt eingeleitet werden kön¬
nen, wie denn auch das Gericht ohne diese Ermächtigung befugt ge¬
*) „Wer gesetzmäßig freigesprochen ist, darf nicht mehr um der nämlichen
Thatsache willen eingezogen noch angeklagt werden." Flaxland a. a. O. S. 86.
*) „Die Verletzung der Amts- und Dienstehre darf nur auf Klage des
Beleidigten oder auf Verlangen der ihm vorgesetzten Behörde bestraft wer¬
den." Bopp, Handbuch, S. 65—68.
F. A. f. d. u. a. C. R. LXVII. 1.
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