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Ein psychologisch interessanter Straffall.
mal mit ihr sprechen und dazu den Umstand benützen, daß sie ihm
an ihrem Hochzeittage seine ihr vor einiger Zeit zum Waschen ge¬
gebene weiße Weste, jedoch ohne die in einer Tasche derselben stecken
gebliebene 5 fl. Banknote, zurückgeschickt hatte. Franz D. beschloß,
sie hierüber am 23. November v. J. zur Rede zu stellen, und
machte sich an diesem Tage um 6 Uhr Abends auf den Weg zu
der 2 Stunden von seinem Wohnsitze entfernten Hube des Anton
L. Der Himmel war von einem leichten Nebel umzogen, aus
welchem von Zeit zu Zeit der Mond hervortrat. In mäßigem
Schritte fortwandelnd, fühlte Franz D. beiläufig eine Viertelstunde
von der Hube des Anton L. entfernt, ein leichtes Unwohlsein,
stopfte sich deshalb seine Tabakspfeife, und fing zu rauchen an.
Etwa noch eine halbe Viertelstunde von seinem Ziele entfernt, be¬
merkte er, daß das nach seiner Beurtheilung in der rechtseitigen
großen Stube, in welcher er am Allerheiligentage mit Anton L.
gesprochen hatte, brennende Licht erlosch. Ungefähr 5 oder 6
Schritte vor dem Hause sah Franz D., als der Mond gerade et¬
was sichtbar wurde, zum letzten Male auf seine Sackuhr. Sie
zeigte einige Minuten vor 8 Uhr, und in diesem Momente wurde
der Regen, welcher bereits früher begonnen hatte, auf einmal sehr
stark. Nur mit einer leichten zeugenen Jacke bekleidet, und sonst
mit keinem Schutzmittel gegen den Regen, welcher ihn schon ganz
durchnäßt hatte, ausgerüstet, begab sich Franz D., weil er im Hause
nirgends mehr ein Licht wahrnahm, in den größtentheils aus Holz
erbauten Stadel des Anton L. Ohne bei einem an der Ecke des
Stadels befindlichen, vom Wohnhause aus sichtbaren Thore den
Eingang zu versuchen, umging er denselben, und betrat von der
Bergseite aus durch ein großes verschiebbares Thor, welches ge¬
rade so weit offen war, daß er sich durchdrängen konnte, die Dresch¬
tenne. Bald nach seinem Eintritte merkte er, daß seine Tabaks¬
pfeife, deren Deckel geschlossen war, erlosch. Ohne die Asche aus¬
zuklopfen, und zur Vorsicht noch die Hand über den Deckel hal¬
tend, wendete er die Pfeife um, goß den Tabaksaft aus, und steckte
sie in die Brusttasche seiner Jacke, von wo er sie dann nicht mehr
herausnahm. Franz D. legte sich hierauf nach seiner Angabe auf
ein in der Dreschtenne befindlich gewesenes Stroh, und dachte über
die vereitelte Zusammenkunft mit seiner ehemaligen Geliebten und
über seine Lage überhaupt nach. Es mochte nach seiner Beurthei¬
lung ungefähr eine schwache Stunde, während welcher er theil¬
weise halb geschlummert hatte, verflossen gewesen sein, als er auf¬
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