A. I. Einleitung zu den Motiven
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Wenn in einem Staate die bisher dort nicht gestattet ge¬
wesene Freiheit der Presse wieder eingeführt oder wenn solche
überhaupt durch gesetzlichen Ausspruch irgendwo von neuem an¬
erkannt wird, so möchte es schwerlich genügen, vermittelst eines
Gesetzes den Grundsatz aufzustellen, daß in diesem Staate Pre߬
freiheit herrschen solle; denn eine völlige Ungebundenheit oder
Schrankenlosigkeit in Ansehung des Gebrauchs der Druckerpresse,
würde so schnell Mißbräuche jenes köstlichen Gutes nach sich zie¬
hen, daß man sich um so mehr genöthig sehen würde der Pre߬
freiheit und allen Arten von Mißbräuchen der Preßfrei¬
heit, vermittelst neuer gesetzlicher Bestimmungen entgegen zu
arbeiten, je nachtheiliger und ausgebreiteter die schädlichen Fol¬
gen der Zügellosigkeit dieser Art leicht werden können.
Eine vollständige Gesetzgebung über Preßfreiheit scheint
daher (1) nicht allein die Anerkennung dieses Rechts der
Staatsbürger, sondern auch (2) die Bestimmungen ent¬
halten zu müssen, wodurch der rechtmäßige Gebrauch
jener Befugniß hinreichend deutlich von deren
Mißbrauche unterschieden wird, d. h. eine Festsetzung
von Einschränkungen, welche (selbst bei Voraussetzung einer li¬
beralen Staatsregierung) nicht hinweg bleiben können, ohne die
Preßfreiheit in ahndungswerthe Zügellosigkeit ausarten zu ma
chen. — Da aber eine blose Angabe der Schranken, ohne
Hinzufügung der mit dem Ueberschreiten derselben für den Frev¬
ler verknüpften nachtheiligen Folgen (Strafen) fruchtlos sein
würde; so folgt von selbst hieraus, daß eine vollständige Ge¬
setzgebung über Preßfreiheit auch noch (3) die Vorschriften ent¬
halten müsse, wodurch man dem Mißbrauche jener Freiheit vor¬
beugen zu können glaubt. Hierzu gehört, wenigstens nach
auch meiner Ueberzeugung, die Androhung der Strafen, wel¬
che den Mißbrauch treffen sollen, nemo prudens enim punit
qui peccatum est, se ne peccetur! wie Plato und Seneca
sagen; allein es giebt auch noch andere Vorbeugungsmittel ge¬
gen jene Mißbräuche, selbst bei abgeschaffter regelmäßiger
Censur der Druckschriften, welche freilich da nicht mehr in Frage
kommen kann, wo man einmal Preßfreiheit gesetzlich aner¬
kannt hat. Dergleichen andere Vorbeugungsmittel wider
den Mißbrauch der Preßfreiheit könnten mannichfaltige, direkte
Vorlage:
Max-Planck-Institut für
DFG
europäische Rechtsgeschichte
Unste.