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Von Adv. Bopp in Darmstadt.
lichkeit und Schnelle verrichtet worden, und daß unseres Wis¬
sens nirgends auch nur die geringste Unordnung vorgefallen ist.
Darmstadt, den 17. October 1836.
In den letzten Stunden seines Lebens hatte der Verurtheilte
den einen seiner Seelsorger, den Stadtpfarrer Stärker, gebeten,
in seinem Namen an die Familie des von ihm Erschlagenen")
zu schreiben und sie um Verzeihung zu bitten. Dieses Schrei¬
ben lautete:
Meine liebe Frau Lust!
Bei einer der Unterredungen, die ich mit dem Mörder
Ihres theuren Mannes, der morgen sein schweres Verbrechen
mit dem Tode büßen wird, hielt, hat er mich unter Thränen
ersucht, an Sie zu schreiben und Sie und Jhre lieben Kinder
wegen des großen Jammers, den er durch seine That über Sie
und ihre ganze Familie gebracht hat, um Verzeihung zu bitten
und Ihnen dabei zu sagen, wie er seine schwere Missethat auf
das bitterste bereue. Zwar kenne ich sie nicht persönlich; aber
Sie sind Christin, Sie sind eine Jüngerin dessen, der da spricht:
Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, thut wohl denen, die
euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen,
damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel, und darum
zweifle ich nicht daran, daß Sie dem reuigen und sterbenden
verhindert würde, sebst die Hinrichtung vorzunehmen, einen im Geschäft
erfahrenen Mann, welcher sich getrauen würde, statt meiner die Hinrichtung
zu übernehmen. 2. Daß mir für meine eigene Bemühung, Zeitversäummiß,
sowie für die jener zwei andern Männer, einschüeßlich der Rese und Zeh¬
rungskosten, eine Belohnung, rosp. Entschädigung von dreißig Lousd'ors
bewillit werde. Unter dieser Summe kann ich mich nicht zur Uebernahme
eines solchen Geschäfts verstehen, und es würde mir sehr angenehm sein,
wenn meine Offerte nicht angenommen würde. 3. Daß mir der volle Betrag
der von mir verlangten Belohnung selbst in dem Falle ausbezahlt werde,
wenn ich etwa, was mir noch nicht geschehen ist, das Unglück haben solle,
einen Fehlhieb zu thun." Alle diese Bedingungen mußten zugestanden werden.
Breidenbach: Commentar über das Gr. Hess. Strafgesetzbuch.
Band 1. Abth. 1. Darmstadt 1842, S. 319. Rote 2. Als vor einigen
Jahren Todesurtheile dahier zu volliehen waren, mußte man einen Scharf¬
richter mit großen Kosten aus dem Auslande verschreiben. kc.
Noch an demselben Tage kam die Wittwe mit ihren Kindern in die
Residenz. Erstere konnte sich nicht überwinden, den zu sehen, der sie zur
Wittwe gemacht hatte; ihre Kinder entschlossen sich zu diesem Gang. Der
Verurtheilete wiederholte mündlich seine Bitte, ihm zu vergeben.
Max-Planck-Institut für
FG
europäische Rechtsgeschichte