B. X. Anna Maria Keyrleber.
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Zeit um Ausantwortung des Kindes an den Bürgermeister zu
Großglogau wendet, sagt ihm dieser rund heraus: wenn das
Sacrament der Firmung nicht entweiht werden solle, könne ihm
das Kind nicht ausgefolgt und zur Erziehung in der lutherischen
Confession übergeben werden, — „wird also hiermit der erste
plagiarius“, wie der Verfasser bemerkt.
Der Vater geht vom geraden Weg zum krummen über: er
sinnt auf Entführung des Kindes. Das Mittel, das er wählt,
ist originell genug. Er baut beim Zimmermann Starke in
Bautzen, wo er wohnte, eigenhändig ein „Gehäus, welches 1) als
ein Vogelbauer und dann 2) als ein Caröthlein verstellet wer¬
den könnte". Dies, in künstlicher Weise verschlossen, befestigte
er auf einem Schubkarren. Er sucht nun zwei Männer zu
dingen, welche ihm das seltsame Fuhrwerk nach Glogau schaffen
sollen, wo er bei dem lutherischen Pfarrer, M. Klapperbein,
außerhalb der Stadt, sich geheim aufzuhalten gedachte. Aber
es will kein Mann aus Furcht vor Werbern darzu sich ver¬
stehen, und der Pfarrer in Glogau schlägt ihm die Bitte um
Aufenthalt aus Besorgniß vor anderen Unannehmlichkeiten ab.
Da dingt der besorgte Vater etliche Weiber, den Karren we¬
nigstens zu einem Bauer in Prust, 1 Stunden von Großglogau,
zu fahren. Mit vieler Mühe gelingt es ihm, eines der Weiber
und dann den Bauer dazu zu bestimmen und zu beschwichtigen.
An die Pflegemutter des Kindes aber in Glogau schreibt er, er
wolle hinkommen, um ihr 100 Thlr. Erbtheil von des Kindes
Großmutter zu dessen einstiger Aussteuer zu übergeben, werde
sich aber nur kurze Zeit aufhalten, da er in Schlichtigheim etwas
drucken lassen wolle. Die Entführung selbst gedachte er an
einem Sonntag früh, unter dem Kirchgehen, zu bewerkstelligen.
In Glogau angelangt, wird er hieran durch schlechte Witterung
und andere Zwischenfälle gestört. Dagegen benutzt er den
Umstand, daß ihn ein Landsmann daselbst am Sonntag zu Tisch
gebeten, um das Kind von der Pflegemutter sich zur Gesellschaft
dabei zu erbitten. Gleich nach Tisch führt er das Kind, unter
dem Vorwand auf dem Gottesacker zu der Mutter Grab zu
gehen, zum Thor hinaus und um die Stadt herum zu dem ent¬
gegengesetzten Thore, wo das Weib, das er aus Sachsen zum
Fahren des Karrens mitgenommen, ihrer wartet. So kommen
sie nach dem Dorfe Prust und nun wird das Kind in den
„Vogelbauer" gesetzt und die Reise angetreten. Sie geht be¬
olage
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