17 X.
Anna Maria Keyrleber.
Ein eigenthümlicher Fall des Plagium und der
Wiederentführung.
Aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.
Von **
Es liegt dem Einsender ein Schriftchen vor, zwei Druckbogen
stark, ohne Druckort, mit dem Titel: „Virgo plagiariis obnoxia,
d. i. ein Kind seinen Eltern zum drittenmahl genommen. Der
Ehrbaren Welt, weilen solcher unerhörte casus wider alle
Rechte, ja wider alle menschlich Vernunfft lauffet, von des Kin¬
des=Vatter selbsten in offenem Druck vorgestellet. Anno 1705."
Der auf dem Titel nicht genannte Verfasser ist ein lutherischer
Geistlicher, M. Joh. Georg Keyrleber, früher Pastor zu Flehingen
bei Heidelberg. Er erzählt darin, wie seine Tochter dreimal,
theils aus confessionellen, theils aus andern, mehr angedeuteten
als ausgesprochenen Motiven in Schlesien und in Weimar sei¬
ner väterlichen Gewalt entzogen, resp. vorenthalten worden und
wie er das eine Mal dieselbe auf ziemlich kühne und jedenfalls
originelle Weise ihrer zeitweiligen Gewalthaberin entführt Das
hier entrollte Gemälde, obwohl zum Theil nur in unklaren Um¬
rissen gehalten, ja selbst von subjectiver Färbung nicht ganz frei,
ist jedenfalls ein interessantes Sittenbild seiner Zeit und verdient,
Vorage
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Max-Planck-Institut für
zu Berlin