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public durch einen Substituten des Staatsprokurators ver¬
sehen worden, statt durch diesen selbst.
2) Verletzung des Art. 322 p. P. O., a) die in dem
ärztlichen Fundberichte und dem Anklageakt enthaltenen
Aussagen der Eltern und Geschwister des Angeklagten seien
den Geschwornen vorgelesen, und denselben in ihre Bera¬
thung unverdeckt mitgegeben worden; b) der Zeuge Rapp,
welcher nach der ganzen Prozedur nichts anders habe wissen
können, als was ihm dadurch bekannt geworden, daß der
Friedensrichter ihn bei Abhör der Eltern des Angeklagten zu¬
gezogen habe, sei über diese Aussagen als Zeuge vernommen
worden.
3) Verletzung des Art. 312 p. G. B., indem der Assi¬
senhof die darin festgesetzte Strafe ausgesprochen, obgleich die
Geschwornen den Angeklagten einer freiwilligen Verlez¬
zung nicht schuldig erklärt hätten.
Der Generalstaatsanwalt war der Ansicht, daß die unter
1 und 2 angeführten Mittel eben so wenig als der Umstand,
daß die Anträge der Staatsbehörde nicht der Vorschrift des
Art. 277 p. P. O. gemäs unterzeichnet seien, geeignet er¬
schienen, die Cassation zu begründen; daß aber das auf fal¬
sche Anwendung des Art. 312 p. G. B. gestützte Cassations¬
mittel allerdings durch den in der Frage liegenden Mangel
der Freiwilligkrit begründet erscheine; durch das von den
Geschwornen ausgesprochene: „Schuldig" werde dieser Man¬
gel nicht ersetzt, weil man auch einer unfreiwilligen Verletzung
schuldig werden könne; daß die Geschwornen den Angeklagten
eines Verbrechens schuldig erklärt, welches Wort eine un¬
freiwillige Verwundung ausschließe, sei deshalb ohne Einfluß,
weil im allgemeinen den Geschwornen die Entscheidung darüber
nicht zustehe, ob eine Handlung ein Verbrechen oder ein
Vergehen bilde, jedenfalls aber ihre Entscheidung im vorliegen¬
den Falle hierüber nicht angerufen worden, da die ihnen ge¬
stellte Frage diesen Ausdruck nicht enthalte.
Archiv 11. Vd. 3. Heft.
Max-Planck-Institut für
europäische Rechtsgeschichte
DFG