Full text: Allgemeine juristische Zeitung (Jg. 3 (1830))

und non scriptum und deren Unterabtheilungen, jetzt im 
Einzelnen nachgewiesen werden. Also: 
1. Jus scriptum, und zwar 
1. Leges. Bekanntlich theilte Romulus das ganze, 
damals auf das Stadtgebiet beschränkte Römische Volk zum 
Zweck der Gesetzgebung und des gemeinschaftlichen 
Gottesdienstes in 30 Curien. Diese Curien waren ein Band 
zur Eintracht, und alle 30 traten zum gemeinschaftlichen 
Opfer zusammen, und entschieden auch per majora über 
Gesetzgebung. Wie Pomponius erzählt (L. 2. §. 2. D. de 
orig. jur.), wurden in diesen Curiatcomitien schon unter 
Römulus die ersten Gesetze erlassen; denn von der Zeit 
vor dieser Einrichtung sagt er: Omnia manu a regibus 
gubernabantur (L. 2. §. 1. eod.) Auch des Romulus 
Nachfolger sollen und zwar schon öfter, Gesetzesvorschläge 
an das Volk gemacht haben, die von demselben in den Co¬ 
mitien — seit Servius Tullius hauptsächlich wohl in den 
Centuriatcomitien — angenommen wurden, und das Jus 
Papirianum nur eine Sammlung dieser Volksschlüsse 
gewesen seyn, welche gewiß erst seit der Zeit der Römischen 
Republic Leges regiae genannt wurden. 
Ohne uns hier auf die historische Glaubwürdigkeit dieser 
Erzählung einzulassen, genügt zu unserem Zwecke die Be¬ 
merkung, daß nach dieser Darstellung schon zur Zeit der 
Entstehung des Römischen Staats, das Volk als die 
Quelle aller Gesetzgebung erscheint. 
Die Vertreibung der Könige konnte schon deshalb an 
dieser, seither vom Volke ausgeübten gesetzgeberischen Gewalt 
nichts ändern, weil ihre hauptsächliche Folge nur in der Ue¬ 
bertragung der Gewalt des Königthums auf die neuen patri¬ 
cischen Obrigkeiten (Consules) bestand. Ja Pomponius 
läßt, um die Volksgesetzgebung der Zwölftafeln in ein 
desto helleres Licht zu setzen, mit der Vertreibung der Kö¬ 
nige alle früher bestandenen positiven Gesetze (die Leges re¬ 
giae) ihre Kraft verlieren, und das Volk eine geraume Zeit 
hindurch in demselben trostlosen Zustande leben, wie zur 
Zeit der Entstehung Roms, da es noch gar keine Gesetze 
gab. Diesem incertum jus und der Consuetudo, sagt 
Pomponius, mußte ein Ende gemacht werden, welches 
nur durch eine positive Gesetzgebung möglich war; und 
diese erfolgte auch in dem Zwölftafelgesetz, welches das 
Volk in den Centuriatcomitien sanctionirte. Man sieht, Pom- 
ponius stellt die Sache recht im Geschmack unserer Zei¬ 
ten dar! 
aatsbibliothek 
Max-Planck-Institut für 
261 
Die in den Centuriatcomitien erlassenen Volksschlüsse, 
oder Leges, waren, als das unmittelbare Product der 
gesetzgebenden Gewalt des Volks, verbindend durch sich 
selbst, und weder Pomponius noch sonst ein Römischer 
Jurist zieht ihre verbindende Kraft irgend in Zweifel, wie sie 
dieß doch bei andern Quellen ihres bürgerlichen Rechts thun. 
Es war auch unmöglich, daß hier irgend ein Zweifel ent¬ 
stehen konnte, da ja das gesammte Volk (Patricier und 
Plebejer), dem als solchem die gesetzgeberische Gewalt zu¬ 
stand, in den Centuriatcomitien versammelt war, und per 
majora die Gesetze erlassen hatte. Vgl. Gajus Comm. 1. 
§. 3., §. 4. J. de jure nat. gent. et civili, und insbeson¬ 
dere Julianus in der L. 32. §. 1. D. de legib., welcher 
sagt: cum leges nulla alia causa nos teneant, quam 
quod judicio populi receptae sunt, und auch ausdrück¬ 
lich das gesammte Volk (Populus) den Gesetzgeber oder 
Legislator nennt. Julian sagt also ganz bestimmt und ent¬ 
schieden, daß der alleinige Grund des Daseyns und der ver¬ 
bindenden Kraft der CenturiatGesetze (Leges) der erklärte 
Wille des Volks, als der gesetzgebenden Gewalt im Staate, 
sey. Ja dieß gilt, wie später (Nr. II.) nachgewiesen wer¬ 
den soll, nach Julian's Ansicht nicht bloß von den Leges im 
engeren Sinn, sondern vom geschriebenen Recht überhaupt 
(Jus scriptum). Die CenturiatGesetze sind aber allein das 
unmittelbare Product der gesetzgeberischen Gewalt des 
Volks, während die übrigen bürgerlichen Rechtsquellen 
(Nr. 2-6.), mit Ausnahme des Jus non scriptum (Nr. II.), 
nach der Darstellung der Römischen Juristen, nur das mit¬ 
telbare Product derselben sind." Dahin gehören schon 
2. Die Plebiscita, indem es sich mit diesen also ver¬ 
hält. Nach dem Vertrage auf dem Mons sacer waren die 
Tribunen freilich zu nichts Weiterem berechtigt, als die ple¬ 
bejische Gemeinde zu versammlen, und auf diesen Ver¬ 
sammlungen (Conciones) zu ihr in eignen Angelegenheiten 
zu reden. Allein sie wußten dieß Recht gar bald dahin aus¬ 
zudehnen, daß aus diesen Conciones förmliche Comi¬ 
tien wurden, in welchen völlige Stimmengleichheit, ohne 
Unterschied des Armen und Reichen eingeführt, und die 
Stimmen nach der uralten Volkseintheilung in Tribus abge¬ 
geben wurden. Zuerst trat die plebejische Gemeinde auf 
diese Weise gegen den Coriolan zusammen, und erhielt durch 
die Publilischen Gesetze wenigstens das Recht, sich ohne 
alle Einmischung der Patricier über alle öffentlichen Angele¬ 
genheiten zu berathen, und Beschlüsse zu fassen (A. U. C. 
272). Allein Gesetzeskraft erhielten diese Beschlüsse dadurch
	        
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