Full text: Allgemeine juristische Zeitung (Jg. 3 (1830))

fassung zu gewahren, welche nach dem Rechte des Volkes 
auf seine Verfassung und zur Beschwerdeführung über seine 
Richter, den Augen des Volkes nicht verborgen bleiben dürf¬ 
ten. Durch eine solche Einrichtung werde zugleich auch noch 
gewirkt, daß die vor den Augen des Volkes handelnden Rich¬ 
ter gesetzmäßig und ihrem Zwecke entsprechend verführen, 
daß mindestens das nur herrschend gewordene Mißtrauen ge¬ 
gen die Thätigkeit unserer Gerichtshöfe seinen Gegenstand 
verlieren würde. Bei Strafsachen sey obendrein das Volk 
selbst Parthey und als solche vor den Gerichtsschranken so 
nöthig und zulässig, wie dieses die bei der Gerichtsverhand¬ 
lung betheiligten Partheyen unstrittig seyen"*) 
Es fühlt sich nach dieser Demonstration leicht durch, daß 
die von Herrn von Feuerbach für seine volksthümliche Ge¬ 
richtsöffentlichkeit aufgestellten Gründe vorzugsweise auf einem 
Mißtrauen gegen unsere angeblich nicht öffentliche JustizVer¬ 
waltung ruhen **) 
Ohne mich jetzt dabei aufzuhalten, diese, die Gegenwart 
des Volkes vor den Gerichtsschranken für eine zweckdienliche, 
sichtbare und deshalb Vertrauen erregende Bürgschaft der 
gerechten Handhabung der Gesetze und des Schutzes der 
Verfassung achtenden, Gründe zu beleuchten, stelle ich mei¬ 
ner Betrachtung hier zunächst nur die Aufgabe, zu zeigen, 
daß durch den mechanischen Zustand, die Thüren der Ge¬ 
richtssäle dem Volke zu öffnen, diejenige Oeffentlichkeit der 
Justiz Verwaltung, welche allein nur von der Staatsverfassung 
zu fordern steht, keineswegs nothwendig verwirklicht werde, 
daß vielmehr das Wesen und die Bedeutung der allerdings 
unerläßlichen Oeffentlichkeit der Rechtspflege in etwas ganz 
anderem zu suchen sey, als worin es die Vertheidiger des 
vorhin Bezeichneten, bisher für Gerichtsöffentlichkeit genom¬ 
menen, Znstandes der Gerichtshöfe gefunden haben wollen. 
III. Begriff und Wesen der nur zu verlangen¬ 
den Oeffentlichkeit der JustizVerwaltung, 
oder Gerichtsöffentlichkeit. 
Unter der Oeffentlichkeit der JustizVerwaltung, der Ge¬ 
richtsöffentlichkeit, nach dem, das physische Verhältniß, daß 
etwas vor aller Augen geschehe, bezeichnenden Sinne des 
Wortes: „Oeffentlich" einen bloß mechanischen Zustand, wie 
er im vorigen Capitel geschildert wurde, zu verstehen, und 
diesen Zustand sodann durch Gründe der Politik zu rechtfer¬ 
tigen, heißt das Wesen und die Bedeutung der Oeffentlichkeit 
*) v. Feuerbach u. s. w. S. 3. 89 -95. 160. 161.166.167-173. 
*) v. Feuerbach l. l. S. 93. 166. 167. 
Max-Planck-Institt 
175 
der Justiz Verwaltung zu einem dienenden Mittel herabziehen, 
während dieselbe vielmehr ein durch den Zweck und die Be¬ 
deutung des Staatslebens gegebenes absolutes Gut und zwar 
bei der Handhabung der richterlichen Gewalt im Staate der¬ 
jenige Zustand ist, welcher der Handhabung der Staatsge¬ 
walt überhaupt, um zweckgemäß zu seyn, nicht fehlen darf. 
Sein geistiger, den höchsten Zweck der Staatsgewalt selbst 
aussprechender, Inhalt bleibt immer derselbe, wenn auch 
seine äußere Erscheinung nach Zeit, Ort und Lebensverhält¬ 
nissen sich ändert. Ich warne davor, den veränderlichen 
Körper dieses Gutes nicht mit der Seele desselben zu ver¬ 
wechseln. Diese Verwechselung ist es, welche bereits so viele 
Worte des Streites über die Oeffentlichkeit der JustizVer¬ 
waltung aufgeregt und, den Standpunkt der Betrachtung 
gänzlich verrückend, bald Formen der Rechtspflege verur¬ 
theilt, bald Zustände an deren Stelle verlangt und mit Hitze 
vertheidigt hat, weil man in ihnen das hohe Gut der Oeffent¬ 
lichkeit der JustizVerwaltung verehren zu müssen meinte. Wir 
wollen darum zu untersuchen eilen, worin das Wesen und die 
Bedeutung jener Oeffentlichkeit bestehe, welche wir allein 
nur von der JustizVerwaltung im Staate zu fordern haben. 
Der Staat ist, als Form eines Lebens, die ethische*) 
Form des Volkslebens, des Lebens der Gesammtheit, welche 
wegen ihrer geistigen und sinnlichen Einheit ein Ganzes, 
wegen ihres Bestehens aus vielen einzelnen Individuen aber 
eine Vielheit bildet. In dem Willen, der Reigung und der 
Thätigkeit der Individuen dieser Vielheit, der Staatsbürger, 
für den Staat und in der Thätigkeit der Staatsregierung 
für den Zweck des Staates spricht sich — die Sache in 
subjectiver Beziehung auf die handelnden Personen be¬ 
trachtet — ein gemeinsames Interesse aus, welches man 
wegen seiner Gemeinsamkeit und seiner Richtung auf das 
gemeinsame Gut des Staates mit dem Namen „des 
öffentlichen Interesses" ebenso richtig bezeichnet, als 
man den Gegenstand dieses Interesses wegen des allen Staats¬ 
bürgern gemeinsamen Rechtes daran, seit Jahrtausenden schon 
mit Recht „das öffentliche Wesen, die Res publica nennt. 
Der allen Staatsbürgern und der Staatsregierung gemein¬ 
same Zweck des Staates, ist mithin das öffentliche, von 
allen den Staat wollenden Personen ersehnte, Gut, welches 
*) Ich darf mich hier wohl auf meinen Aufsatz über Staat, Straf¬ 
recht und Todesstrafe in Nr. 52. 53. 54, des ersten Jahrgan¬ 
ges dieser Blätter zurück beziehen.
	        
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