fassung zu gewahren, welche nach dem Rechte des Volkes
auf seine Verfassung und zur Beschwerdeführung über seine
Richter, den Augen des Volkes nicht verborgen bleiben dürf¬
ten. Durch eine solche Einrichtung werde zugleich auch noch
gewirkt, daß die vor den Augen des Volkes handelnden Rich¬
ter gesetzmäßig und ihrem Zwecke entsprechend verführen,
daß mindestens das nur herrschend gewordene Mißtrauen ge¬
gen die Thätigkeit unserer Gerichtshöfe seinen Gegenstand
verlieren würde. Bei Strafsachen sey obendrein das Volk
selbst Parthey und als solche vor den Gerichtsschranken so
nöthig und zulässig, wie dieses die bei der Gerichtsverhand¬
lung betheiligten Partheyen unstrittig seyen"*)
Es fühlt sich nach dieser Demonstration leicht durch, daß
die von Herrn von Feuerbach für seine volksthümliche Ge¬
richtsöffentlichkeit aufgestellten Gründe vorzugsweise auf einem
Mißtrauen gegen unsere angeblich nicht öffentliche JustizVer¬
waltung ruhen **)
Ohne mich jetzt dabei aufzuhalten, diese, die Gegenwart
des Volkes vor den Gerichtsschranken für eine zweckdienliche,
sichtbare und deshalb Vertrauen erregende Bürgschaft der
gerechten Handhabung der Gesetze und des Schutzes der
Verfassung achtenden, Gründe zu beleuchten, stelle ich mei¬
ner Betrachtung hier zunächst nur die Aufgabe, zu zeigen,
daß durch den mechanischen Zustand, die Thüren der Ge¬
richtssäle dem Volke zu öffnen, diejenige Oeffentlichkeit der
Justiz Verwaltung, welche allein nur von der Staatsverfassung
zu fordern steht, keineswegs nothwendig verwirklicht werde,
daß vielmehr das Wesen und die Bedeutung der allerdings
unerläßlichen Oeffentlichkeit der Rechtspflege in etwas ganz
anderem zu suchen sey, als worin es die Vertheidiger des
vorhin Bezeichneten, bisher für Gerichtsöffentlichkeit genom¬
menen, Znstandes der Gerichtshöfe gefunden haben wollen.
III. Begriff und Wesen der nur zu verlangen¬
den Oeffentlichkeit der JustizVerwaltung,
oder Gerichtsöffentlichkeit.
Unter der Oeffentlichkeit der JustizVerwaltung, der Ge¬
richtsöffentlichkeit, nach dem, das physische Verhältniß, daß
etwas vor aller Augen geschehe, bezeichnenden Sinne des
Wortes: „Oeffentlich" einen bloß mechanischen Zustand, wie
er im vorigen Capitel geschildert wurde, zu verstehen, und
diesen Zustand sodann durch Gründe der Politik zu rechtfer¬
tigen, heißt das Wesen und die Bedeutung der Oeffentlichkeit
*) v. Feuerbach u. s. w. S. 3. 89 -95. 160. 161.166.167-173.
*) v. Feuerbach l. l. S. 93. 166. 167.
Max-Planck-Institt
175
der Justiz Verwaltung zu einem dienenden Mittel herabziehen,
während dieselbe vielmehr ein durch den Zweck und die Be¬
deutung des Staatslebens gegebenes absolutes Gut und zwar
bei der Handhabung der richterlichen Gewalt im Staate der¬
jenige Zustand ist, welcher der Handhabung der Staatsge¬
walt überhaupt, um zweckgemäß zu seyn, nicht fehlen darf.
Sein geistiger, den höchsten Zweck der Staatsgewalt selbst
aussprechender, Inhalt bleibt immer derselbe, wenn auch
seine äußere Erscheinung nach Zeit, Ort und Lebensverhält¬
nissen sich ändert. Ich warne davor, den veränderlichen
Körper dieses Gutes nicht mit der Seele desselben zu ver¬
wechseln. Diese Verwechselung ist es, welche bereits so viele
Worte des Streites über die Oeffentlichkeit der JustizVer¬
waltung aufgeregt und, den Standpunkt der Betrachtung
gänzlich verrückend, bald Formen der Rechtspflege verur¬
theilt, bald Zustände an deren Stelle verlangt und mit Hitze
vertheidigt hat, weil man in ihnen das hohe Gut der Oeffent¬
lichkeit der JustizVerwaltung verehren zu müssen meinte. Wir
wollen darum zu untersuchen eilen, worin das Wesen und die
Bedeutung jener Oeffentlichkeit bestehe, welche wir allein
nur von der JustizVerwaltung im Staate zu fordern haben.
Der Staat ist, als Form eines Lebens, die ethische*)
Form des Volkslebens, des Lebens der Gesammtheit, welche
wegen ihrer geistigen und sinnlichen Einheit ein Ganzes,
wegen ihres Bestehens aus vielen einzelnen Individuen aber
eine Vielheit bildet. In dem Willen, der Reigung und der
Thätigkeit der Individuen dieser Vielheit, der Staatsbürger,
für den Staat und in der Thätigkeit der Staatsregierung
für den Zweck des Staates spricht sich — die Sache in
subjectiver Beziehung auf die handelnden Personen be¬
trachtet — ein gemeinsames Interesse aus, welches man
wegen seiner Gemeinsamkeit und seiner Richtung auf das
gemeinsame Gut des Staates mit dem Namen „des
öffentlichen Interesses" ebenso richtig bezeichnet, als
man den Gegenstand dieses Interesses wegen des allen Staats¬
bürgern gemeinsamen Rechtes daran, seit Jahrtausenden schon
mit Recht „das öffentliche Wesen, die Res publica nennt.
Der allen Staatsbürgern und der Staatsregierung gemein¬
same Zweck des Staates, ist mithin das öffentliche, von
allen den Staat wollenden Personen ersehnte, Gut, welches
*) Ich darf mich hier wohl auf meinen Aufsatz über Staat, Straf¬
recht und Todesstrafe in Nr. 52. 53. 54, des ersten Jahrgan¬
ges dieser Blätter zurück beziehen.