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des positiven Rechts nicht zu erwarten; er spricht den Staat
Proceßschrift zu unterschreiben, verfällt in eine Strafe von
5 bis 20 Thaler und wird bei Wiederholungen suspen¬
entweder um Zuerkennung eines vermeintlichen Rechts an,
dirt. (§. 9.)
dessen Anerkennung er von seinem Gegner in Güte nicht
12. Die Obergerichtsanwälte, wie die andern Advoca¬
erlangen kann, oder um Schutz gegen angeblich anmaßende
ten, dürfen der Gegenparthey Reisekosten und Tage¬
Ansprüche seines Gegners. Dem natürlichen Menschenver¬
gelder für Geschäfte bei solchen Gerichten, für welche sie
stande scheint es, um zu einem dieser Zwecke zu gelangen, zu
nicht rescribirt sind, nicht in Rechnung bringen und ihrer
genügen, daß man das Sachverhältniß, welches das ver¬
eigenen Parthey nur dann, wenn die ihnen ertheilte Voll¬
meintliche Recht begründen soll, dem Richter deutlich vor¬
macht ein desfallsiges ausdrückliches Versprechen enthält.
trägt und nöthigenfalls erweist. Was aus diesen Thatsachen
rechtlich folge, ob dadurch die Klage, Einrede, Re¬
(§. 12.)
13. Andere Bevollmächtigte, als wirklich angestellte Ad¬
plik u. s. w. rechtlich begründet sey, ist lediglich Gegen¬
vocaten, haben, außer dem Ersatze ihrer Auslagen und
stand der richterlichen Beurtheilung — des Rechtsspruchs,
der Reisekosten mit 3 Ggr. für die Meile, eine Vergütung für
den der Richter im Namen des Staats thut, welcher wollen
ihre Mühwaltung nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn
muß, daß nicht Unrecht für Recht gehandhabt werde.
ihnen eine solche, die jedoch den Betrag von 6 Ggr. für
Wie ist es daher mit den Forderungen der Gerechtigkeit
jeden Termin nicht überschreiten darf, in der Vollmacht aus¬
zu vereinigen, wenn man, ohngeachtet der bestimmten
drücklich zugesichert ist.
Erklärung einer Parthey, die Ansprüche oder Einreden des
Eine Parthey hat ihrem Gegner an vorgedachten Ausla¬
Gegners nicht anerkennen zu wollen, daraus, daß jene
gen, Reisekosten und Terminsgebühren, in keinem Falle
Parthey das betreffende Sachverhältniß nicht ausführlich
mehr zu ersetzen, als sie zu entrichten gehabt haben würde,
genug vorstellte, ein daraus fließendes Klagerecht, Einrede,
wenn ihr Gegner in Person aufgetreten wäre. (§. 21.)
Replik, nicht ausdrücklich erwähnte, einen dadurch begrün¬
Einsender hat sich um so mehr über diese Verordnung ge¬
deten Antrag nicht ausdrücklich stellte, weil ihm eine desfall¬
freut, je vollständiger sie mit seinen, in einem, im vorigen
sige, in der Natur der Sache keineswegs liegende Nothwen¬
Jahre in der allgemeinen Justiz-Cameral- und Polizey¬
digkeit nicht bekannt war und auch vom Richter nicht be¬
Fama abgedruckten, von ihm herrührenden, Aufsatze ausge¬
kannt gemacht wurde, einen stillschweigenden Verzicht auf
sprochenen Ansichten und Wünschen übereinstimmt.
jene Rechtsverhältnisse auf eine höchst unnatürliche Weise
Nur bei freiem Vertretungsrechte, welches dem
folgert?!
heutigen Stande der Civilisation entspricht, auf der einen,
Diese Unvereinbarkeit der strengen VerhandlungsMarime
und einem möglichst ausgebildeten Advoca¬
mit dem freien Vertretungsrechte, ist auch in KurHessen,
tenstande auf der andern Seite, verbunden mit
wenigstens im Untergerichtsproceße anerkannt. Bestimmte
völliger Unabhängigkeit der Gerichte*), sorgfältiger Aus¬
desfallsige Vorschriften enthalten zwar nicht die älteren Pro¬
wahl und strenger Controle des GerichtsPersonals,
ceßgesetze, wohl aber die neueren Anweisungen für die Ge¬
scheint die sichere Erreichung der höchsten Zwecke der Rechts¬
richte, ohne daß gleichwohl dadurch die lezteren die Rolle
pflege möglich. Mit jenem freien Vertretungsrechte ist aber
des Advocaten der Parthey zu übernehmen haben.
das reine VerhandlungsPrincip offenbar unverträglich. Von
Eine Hauptschattenseite der Rechtspflege enthält endlich
dem Rechtsunkundigen ist die Kenntniß der Spitzfindigkeiten
unser Sportel Wesen. Bei den Menschen, wie sie nun
einmal sind, kann und darf das Recht nicht völlig unent¬
geltlich verwaltet werden, denn will man auch von der
*) In KurHessen ist in dieser Hinsicht gesetzlich bestimmt: daß 1.
Nothwendigkeit einer an den Staat zu entrichtenden Pro¬
keinem Staatsdiener ohne Urtheil und Recht seine Stelle oder
sein rechtmäßiges Diensteinkommen entzogen werden kann,
ceßsteuer absehen, (ein großer Theil der GerichtsSporteln fäͤllt
(Haus= und Staats=Gesetz v. 6ten März 1817, §. 13), 2. die
ja ohnehin armen zurückgekommenen Schuldnern zur Last,
Gerichte allein nach den Gesetzen, ohne Einwirkung irgend
die zur Bezahlung von solchen indirecten Steuern am we¬
einer andern Behörde, zu entscheiden haben und 3. mit dem
nigsten geignet sind) so müssen die Proceßkosten doch immer
Richteramte kein anderes administratives oder finanzielles Amt
ein Zügel bleiben, der die Chicane und den Leichtsinn eini¬
verbunden werden darf. (Organisat. Edict. vom 29ten Juni
germaßen vom Processiren zurückhält, allein stets müssen sie
1821, §. 36 u. 3.
Max-Planck-Institut für