Full text: Allgemeine juristische Zeitung (Jg. 3 (1830))

auch anderweitig ausgemittelt werden kann, z. B. 
durch ein criminalistisch voll beweisendes Geständniß; 
daß es mithin eine große Einseitigkeit ist, wenn man 
bloß jenen Erkenntnißgrund berücksichtigt. — Auch 
muß, in dieser letztgedachten Beziehung, nicht allein 
darauf gesehen werden, wie nahe der Delinquent der 
Vollendung wirklich gekommen ist, sondern aud 
darauf, wie nahe er derselben gekommen zu seyn 
glaubte; denn im letzten Falle liegt derselbe Grad 
des Dolus vor, welcher angenommen werden müßte, 
wenn der Thäter sich der Vollendung wirklich in dem 
Maaße genähert hätte, wie er es sich einbildete. 
Wer dem andern vermeintliches Gift in den 
Kaffee schüttet, steht offenbar in subjectiver Hin¬ 
sicht Demjenigen iganz gleich, welcher wirkliches Gift 
hinein mischte, obwohl Letzter der Vollendung ungleich 
näher gekommen ist, als der Erste. Nur in objec¬ 
tiver Hinsicht, d. h. in Beziehung auf den etwa 
gestifteten Schaden oder die in concreto begründete 
Gefahr, würde der Zweite strafbarer seyn, als der 
Erste. Dieser letzte Gesichtspunkt ist jedoch, wie schon 
oben nachgewiesen worden, der minder einflußreiche, 
keinesweges aber, wie einige Anhänger der Präven¬ 
tionstheorie 14) gethan haben, ganz unberücksichtigt 
zu lassen; weßhalb sich denn auch nicht behaupten 
läßt, das Delictum perfectum sey mit der Strafe des 
consummirten Verbrechens zu belegen. Diese An¬ 
sicht ist eben so einseitig, und widerspricht ebensosehr 
dem Geiste der Quellen des gemeinen Rechts, als die 
entgegengesetzte Meinung, welche die objective 
Seite des Conats ungebührlich hervorzieht. 
Wendet man nun diese Grundsätze auf den Fall 
an, daß Jemand einen Andern zur Begehung eines, 
von Jenem beabsichtigten Verbrechens wirklich bestimmt, 
nicht etwa bloß ohne Erfolg versucht 15) hat, selbigen 
zu bestimmen; so muß 
1, nach der richtigern Ansicht, wenn das Delict 
wirklich consummirt ward, den Anstifter regelmäßig 
dieselbe Strafe treffen, welche ihn würde getroffen ha¬ 
ben, wenn er selbst das Delict ausgeführt hätte 16). 
14) Tittmann, Handb. B. 2. §. 98. Oersted, Grund¬ 
regeln, S. 163. 
15) In diesem Falle beschränkt sich natürlich die ganze Beur¬ 
theilung zunächst auf den Ersten. 
16) Wächter, a. a. O. B. 1. S. 149. 
Max-Planck-Institut fü 
2, Ist aber, ohne Zuthun des Anstifters 
oder durch 
der Angestiftete entweder durch Reue, 
äußere Hindernisse (beide Fälle sind in Betreff des 
Anstifters offenbar ganz gleich) von der Vollendung 
des Delicts abgehalten worden: so hängt 
a) in objectiver Hinsicht, d. h. in Hinsicht 
auf Schaden und Gefahr, die Strafbarkeit des Anstif¬ 
ters von der größern oder geringern Thätigkeit, 
welche der Angestiftete bereits entwickelt hat, allerdings 
ab. Denn in dieser Hinsicht kommt es lediglich dar¬ 
auf an, ob und inwieweit Schade oder Gefahr wirk¬ 
lich schon gestiftet oder begründet war. Allein 
b) in Beziehung auf den subjectiven Strafmaaßstab 
hat es auf die Strafbarkeit des Anstifters nicht den gering¬ 
sten Einfluß, ob der Angestiftete bereits thätig ward, oder 
nicht, und wie weit, im ersten Falle, dessen Thätigkeit sich 
erstreckte. Denn der Dolus des Anstifters liegt ja in 
dessen Gemüth, nicht in dem Gemüthe oder der 
Thätigkeit des Angestifteten. Der Dolus des Ersten 
hat sich durch die Anstiftung manifestirt; welcher Er¬ 
folg dieselbe hatte, ist, hinsichtlich des Anstifters, 
subjectiv gleichgültig, als reiner Zufall anzusehen. 
Wird denn die Mordabsicht dadurch gemindert oder 
aufgehoben, daß der zu Vergiftende die vergiftete 
Speise zufällig nicht genießt? — 
Man kann daher den Grundsatz aufstellen: In 
Beziehung auf die Strafbarkeit des Anstifters in sub¬ 
jectiver Rücksicht muß regelmäßig Dasjenige, 
was zu begehen Jemand einem Andern anstiftete, als 
ausgeführt betrachtet werden, selbst wenn es, 
ohne (absichtliches) Zuthun des Anstifters, 
nicht ausgeführt ward. — Ist dieser Grundsatz 
richtig, so mögte sich weiter daraus folgern lassen, 
daß, im letztgedachten Falle, soviel den subjectiven 
Strafmaaßstab betrifft, der Anstifter regelmäßig 17) so 
zu behandeln sey, als habe er selbst Dasjenige, was 
er durch einen Andern ausführen lassen wollte, sofort 
ausgeführt. 
Diese Sätze klingen vielleicht neu, sind aber in¬ 
directer Weise schon längst von allen denen aufgestellt 
und anerkannt worden, welche, (und zwar mit Recht) 
17) In einzelnen Fällen mag allerdings das bloße Anstiften ge¬ 
ringere Festigkeit des Dolus verrathen, als die Ausführung 
eines verbrecherischen Vorhabens in eigner Person.
	        
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