(wenn dieses gegenseitig festgehalten wird,) nennen wir
gerecht; und somit erscheint dieses Princip, und das
der Gerechtigkeit, als Eines und dasselbe. Nun han=
delt kein Mensch mit Wissen und Willen zu seinem
eigenen Schaden; es liegt folglich im Menschen die ur=
sprüngliche Anforderung gegen den Andern das Gleiche
zu thun. Diese Anforderung an den menschlichen Willen
weil ursprünglich, trägt zwar das Gepräge der Noth¬
wendigkeit, schließt aber den Zwang aus: denn der
Mensch kann auch das Gegentheil thun, und bethätigt
hierdurch die Freiheit seines Willens. Gleichwohl ver¬
mag er durch letztere die Anforderung selbst nicht auf¬
zuheben, sondern muß sie anerkennen, d. h. sich für
verpflichtet erkennen. Und so entwickelt sich aus
dem Princip der Gerechtigkeit zuförderst die Pflicht.
Da die Pflicht aber gegenseitig ist, so erfährt auch Je¬
der vom Andern, (wenn dieser seiner Pflicht treu bleibt,
die Gewährung der Gleichachtung als Recht. Es folgt
aber hieraus, daß das Recht kein ursprüngliches und
absolutes Verhältniß ist, *) sondern ein abgeleitetes
und relatives, indem Pflicht und Recht correlata sind
die sich gegenseitig bedingen. Das wahrhaft Ursprüng¬
liche und Absolute ist der Grundbegriff der Gleichheit,
als Princip der Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit wägt
auf gleicher Schale Recht und Pflicht ab, und gestattet
nur da eine Rechtsgewährung, wo eine Pflichtleistung
*) Allerdings giebt es ein Recht überhaupt, (Jus) im
objectiven und absoluten Sinne, z. B. in Rechts-Wissenschaft,
Rechts=Pflege. Hier bedeutet aber das Wort Recht theils
die Sammlung von Gesetzen und ihre Künde, theils den
Richterspruch nach diesen Gesetzen. Genau genommen
ist also auch hier der Begriff des Rechts (Jus) relativ, indem
er sich auf die Gesetze bezieht.
o
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlin