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1) Durch die Persönlichkeit des Vorstandes, welcher von
der Ueberzeugung durchdrungen ist, daß von einem wohlthätigen
Einfluß auf das Gemüth des Sträflings hauptsächlich dessen gründ¬
liche Besserung abhänge, dieser somit stets Hand in Hand mit den
äußeren Maßregeln gehen müsse, und daß Letzteren also nie ein
überwiegendes Gewicht gegeben werden dürfe. Hier erst wird es
dem Gefängniß-Besuchenden recht fühlbar, wie bei der Wahl der
Vorstände von Strafanstalten allgemein mehr auf Männer gesehen
werden sollte, welche mit dem Leben und Charakter der Menschen¬
klasse, die unter ihre Aufsicht kommt, genau bekannt und dabei
mit Intelligenz und sittlicher Kraft ausgerüstet sind, während bis
jetzt noch meist Krieger und Rechtsgelehrte als diejenigen Stände
angesehen werden, aus welchen vorzugsweise die Beamten von
Strafanstalten gewählt werden müßten.
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2) Durch den Geist, der die Verwaltung durchdringt und
beseelt. Er wird zwar großentheils wieder ein Ausfluß jener Per¬
sönlichkeit des Vorstandes und seiner Untergebenen sein, allein er
ist nicht nothwendig identisch mit dieser. Dieser Geist kann hinein¬
gelegt sein in die Normen, welche den Beamten als Anhaltspunkte
ihrer Handlungsweise gegeben sind: Verordnungen, Instructionen,
Hausordnungen rc. Schwer wird es jedoch immerhin bleiben, daß
ein solcher von außen gegebener Geist zum Leben hindurchdringe,
da, wo die günstige Persönlichkeit oder gar der gute Wille des Be¬
amten fehlt. Aber auch der mit der günstigsten Persönlichkeit aus¬
gestattete Beamte kann oft seine Mühe vergeuden, wenn er nicht
vor Allem eine Stütze seiner Handlungsweise in den Vorschriften,
welche von der gesetzgebenden Gewalt des Staates ausgehen, findet,
und wenn seinen Bestrebungen von der ihm zunächst vorgesetzten
Behörde nicht die gehörige Würdigung zu Theil wird, namentlich
aber, wenn ihm nicht einige Freiheit in seinen Unternehmungen ein¬
geräumt ist.
Es genügt für unsern Zweck, hier nur die Grundgedanken an¬
zudeuten, auf welchen sowohl diese einzelnen Einrichtungen und
Maßregeln der Verwaltung, als auch die Denk- und Handlungs¬
weise des Vorstandes ruhen müssen.
a) Von großer Wichtigkeit für die Behandlung der Gefange¬
nen ist vor Allem die Kenntniß und Beachtung ihrer In¬
dividualitäten. Es können Menschen, deren Charaktere ganz
gleichen Werth haben, dennoch durchaus im Leben nicht zusammen¬
passen, wenn ihre Persönlichkeit sich abstößt; ein gezwungenes Zu¬
Max-Planck-Institut für
europäische Rechtsgeschichte
DFG