Full text: Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege ([3.F.] Bd. 19 = Jg. 1842, Bd. 2 (1842))

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Hier trägt sichs nun zu, daß mitleidenswürdige Inquisitin, 
nachdem sie so in der rauhesten Jahreszeit etliche Tage und Nächte 
elendiglich liegen müssen, am 6. März des Abends um 8 Uhr, in 
der größten Dunkelheit, und unter den unerträglichsten Geburts¬ 
schmerzen, wider ihre Erwartung, dasjenige Unglückskind, welches 
wahrscheinlicher Weise wenigstens zwei Monate zu frühzeitig ge¬ 
kommen, und selbst nach dem medicinischen Zeugnisse von schwäch¬ 
licher Leibesconstitution gewesen, zur Welt bringet, da sie denn von 
demselben die Nabelschnur dergestalt ablöset, daß solche ohngefähr 
9 Zoll lang an dem Kinde hangen bleibt, das Unterbinden der Na¬ 
belschnuc selbst aber aus Unwissenheit unterläßt, da denn das Kind, 
nachdem es nach Inquisitin Brust, welche keine Milch gehabt, ver¬ 
geblich geschmachtet, von Inquisitin aber in ihre Schürze gewickelt, 
und, um solches vor der Kälte zu verwahren, an ihre Brust, in 
der Absicht, es so viel möglich zu erwärmen, angelegt wird. Allein 
aller dieser gebrauchten mütterlichen Vorsorge ungeachtet, stirbt das 
Kind, nachdem es ohngefähr vier Stunden gelebt, der Mutter in 
den Armen dahin. 
Arme Inquisitin bittet hierauf sogleich des Morgens früh die 
Einwohner zu Langfeld um die Vergünstigung, ihr Kind auf den 
dasigen Gottesacker begraben zu dürfen, weil ihr aber dieses abge¬ 
schlagen, zugleich aber von den dasigen Einwohnern gerathen wird, 
daß sie es in der Schulpforte begraben lassen solle, so holt Inqui¬ 
sitin ihr in der Weinbergshütte zurückgelassenes Kind, legt sich da¬ 
mit, weil sie Mattigkeit halber nicht weiter fort kommen können, 
unweit der Pforte, hinter einen Gartenzaun, wird daselbst von den 
vorbeigehenden Leuten bemerkt und in das Amt Pforte in Arrest 
gebracht. 
Nach vorgenommener Section des todten Kindes — wobei das 
medicinische Gutachten, weil nicht die mindeste äußerliche Verletzung 
wahrzunehmen gewesen, dahin ausgefallen: daß die Todesart, in 
einer Verblutung, durch den nicht unterbundenen funiculum umbili¬ 
calem bestanden — und nach geendigter Special-Inquisition, wird 
erkannt: daß, wenn Inquisitin ihr Bekenntniß anderweit in Güte 
richtig nicht thun wolle, man wohl besugt sei, sie dem Scharfrichter 
vorzustellen, und durch denselben befragen zu lassen: 
1) Ob nicht ihr Vorwand: „als ob sie, daß des Kindes Nabel¬ 
schnur nach der Geburt verbunden werden müsse, bei dessen Unter¬ 
bleibung aber solches sich verblute, und dadurch ums Leben komme, 
weder verstanden noch gewußt habe," falsch und erdichtet? 
Max-Planck-Institut für 
europäische Rechtsgeschichte 
DFC
	        
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