112
Ihm war maschinenmäßige Disciplin und das Getriebe mili¬
tairischer Subordination das höchste Princip — herausgerissen aus
diesen Fugen suchte er — der ganz auf sich gewiesene, freund= und
rathlose, dem ersehnten Vaterhause, nach den Entbehrungsschrecken
einer sibirischen Gefangenschaft, von unerbittlicher Noth noch fern
gehaltene Jüngling — in einem adäquaten Verhältniß den ge¬
wohnten Richt= und Haltpunkt, und überredete sich, diesen im
Hingeben an den Willen Adelberts, des ihm durch Lebensalter und
Sittenrohheit nah gebrachten Sohnes seines Herrn, gefunden zu
haben. Für die moralische Schlechtigkeit des Ehebruchsverhältnisses,
das diesen in bedrängende Verwickelungen brachte, hatte Isidor, der
selbst entsittete Zögling des Kriegs und verwildernder Soldaten¬
zustände, keinen Begriff — in den Zornausbrüchen des beleidigten
Ehemanns sah er nur die zu rächende Herausforderung eines
lächerlichen elenden Hahnreihs, in dem Unwillen des Vaters über
des Sohnes Ausschweifungen nur den Griesgram eines mürrischen
Alten. Dagegen sagten ihm die Abentheuer und Conflicte Adelberts
als Zeichen von Jugendkraft und rücksichtsloser Lebenslust zu — und
um so leichter gab er sich nun ihm hin. Dabei war ihm das Zu¬
rückschaudern vor Menschenblut fremd, mithin die Verabredung und
Ausführung einer That, wie die an dem schlafenden Schmied be¬
gangene, weniger schwer. Es ist, in Erwägung der natürliche
menschliche Gefühle zurückstoßenden Eigenthümlichkeiten seiner Le¬
bensgeschichte, nicht unwahrscheinlich, daß seine Ansicht über die
Strafbarkeit einer Tödtung außerhalb des Kriegs sich nicht sowohl
auf die Ueberzeugung vom innern Unrecht derselben gründete, als
vielmehr und vorzüglich auf die Meinung, es dabei nur mit einer
Marotte des pedantischen, dem Militair ohnehin fatalen, unbe¬
quemen bürgerlichen Gesetzgebers zu thun zu haben.
Isidor hatte nicht die geringste Veranlassung um seiner selbst
willen den Schmied zu tödten — persönlich war der Ermordete
ihm nicht verhaßt, ihm war für die Mitausführung des Mords
nichts versprochen — kurz ihn bewog kein eigennütziges Motiv zur
That. Sie war ihm, der wilde entsetzliche Scenen um ihrer selbst
willen liebt, ein coup de main, der ihn, wegen der dabei zu üben¬
den Gewaltthätigkeit ganz besonders ansprach — er sah in ihr eine
für ihn reizende Gelegenheit zur Darlegung vermeintlicher Bravour
zur Begehung eines verwegenen Streichs.
Seine Zurechnungsfähigkeit kam zwar in Frage — wurde
aber bestätigt. Er kannte und scheute das Strafgesetz, er kannte
Max-Planck-Institut für
DFG
europäische Rechtsgeschichte