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ein physisches oder psychisches Hinderniß ganz, oder zum Theil
aufgehoben war rc.
Menschenmord ist eine, dem innern Gefühle, den nothwendi¬
gen Bedingungen des geselligen Lebens, und den ersten Grund¬
lehren der Religion und Sittenlehre so sehr entgegenstrebende
Handlung, daß unter nur irgend civilisirten Nationen ihre Straf¬
barkeit Niemanden unbekannt sein kann, und daß sie dieß den
Fischer'schen Eheleute gewesen, anzunehmen, würde nicht auf das
entfernteste für möglich gehalten werden können, wenn auch nicht
Beide selbst das Gegentheil versichert hätten. Aber nicht ebenso
läßt sich behaupten, daß sie ihre That für einen Menschenmord
erkannt haben, und daß sie im Augenblicke der Handlung einer
solchen Erkenntniß fähig gewesen sind.
Was zuerst die Fischerin anlangt, so macht das vorzüglichste
Lob, welches Jedermann ihrer frühern Denkungsart und Hand¬
lungsweise beilegt, sowie das Fehlen auch der entferntesten Hin¬
deutung auf eine Feindschaft, welche sie gegen den Ermordeten,
den sie wahrscheinlich kaum von Person kannte, etwa gehegt, oder
auf irgend einen Vortheil, den sie durch dessen Tödtung bezweckt
haben könnte, es auf der einen Seite ebenso unbegreiflich, wie der
Vorsatz, Flohren zu tödten, bei ihr entstanden sein könne, als es
auf der andern Seite undenkbar ist, daß man, nur bei einigem
Bewußtsein, solche Handlungen, wie die Inculpatin gegen Floh¬
ren vornahm, begehen konnte, ohne die Absicht der Tödtung zu
haben. Sie selbst hat im Laufe der Untersuchung beharrlich ver¬
sichert, daß sie nicht wisse, was sie zu dieser That veranlaßt habe.
Allein die Acten geben hierüber genügende Auskunft. Unge¬
fähr Jahr und Tag vor jenem schrecklichen Ereignisse waren die
Fischer'schen Eheleute in Verbindung mit dem bekannten Kloß ge¬
kommen, welcher religiöse Zusammenkünfte und Andachtsübungen
zu veranstalten pflegte. Dieser Kloß, soviel man aus den jetzt
vorliegenden Acten abnehmen kann, richtete seine Bemühungen
vorzüglich dahin, bei seinen Schülern die sogenannte geistliche
Traurigkeit hervorzubringen, sie von den Freuden und Genüssen
dieses Lebens abzuziehen und zu unablässigen Religionsübungen
anzufeuern, dabei erweckte er bei seinen Anhängern den Glauben
an ein nahe bevorstehendes Weltgericht, an übernatürliche göttliche
Eingebungen, deren er gewürdigt werde, und an die Möglichkeit,
daß auch sie durch eifrige Befolgung seiner Lehren und unablässi¬
ges Streben zu einer unmittelbaren Gemeinschaft und Mittheilung
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Max-Planck-Institut für
zu Berlin