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Kommentar über Beccar. Werk.
Wir dürfen nicht so weit gehen, um Beispiele
zu finden. Europa liefert ihrer genug. In Eng¬
land wird kein Missethäter getödtet, ehe der Köͤnig seine
Sentenz unterschrieben hat. Eben so ist es in Deutsch¬
land und fast in dem ganzen Norden. Ehemals war
in Frankreich diese Gewohnheit auch; — und sie sollte
bei allen polizirten Nationen eingeführt seyn. Kaba=
len, Vorurtheile und Unwissenheit, köͤnnen in der Ent¬
fernung vom Throne Sentenzen machen. Diese kleine
Intriguen, die dem Hofe unbekannt sind, haben sonst
keinen Einfluß auf ihn. Er hat wichtigere Gegen=
stände zu uͤberdenken. Die höͤchste Landesregierung ist
an ernsthafte Geschäfte gewöͤhnt, und verlacht die
Vorurtheile. Die Fertigkeit, alles im Großen zu
beurtheilen, hat sie minder unwissend, und um soviel
weiser und einsichtsvoller gemacht. Sie kann besser,
als eine Unterregierung einer Provinz, beurtheilen, ob
es dem Staate zutraͤglich sei oder nicht, daß man
scharfe Strafen verhäͤnge? Wenn eine solche Unter¬
regierung nach dem Buchstaben des Gesetzes, welches
freilich scharf seyn kann, urtheilt, so mildert sie diese
Strafen nach dem Geist eines jeden Gesetzes, wel¬
cher dahin geht, daß man nur im aͤußersten Noth¬
fall und in einer ganz entschiedenen Sache Menschen
aufopfert.
XII.
gend die Stütze der Republiken sei, von den Chi¬
nesern sagt: Ich weis nicht, was bei Völkern,
die man ohne Stockschläge zu nichts bringen kann.
die Ehre seyn könne. Denn, daß man den Pöbel
mit Schlägen im Zaume hält, oder den täuberischen
Bettler und Dieb damit bestraft, folgt warlich nicht,
daß nicht in China eine wohleingerichtete, herrliche
Pflege der Gerechtigkeit sei.
Vorlage:
Max-Planck-Institut für
DFG
europäische Rechtsgeschichte