10 Die Lehre von der Ablehnung der Richter
Die Lehre von der Recusation der Richter hat aber
noch eine neue Bedeutung durch die Umwandlung der Ver¬
hältnisse erhalten, welche auf die Gesetzgebung über Straf=
prozeß wirkten. Ein großer Kampf von vielfachen Ansich=
ten hat sich entfaltet. Während ein Theil der Juristen
das Heil nur in der Einführung des mündlichen öffentlichen
Anklageverfahrens, insbesondere auch des Geschwornen¬
gerichts findet, glauben Andere in der Festhaltung an den
Principien des bisherigen deutschen Prozesses, den sie zwar
verbessern wollen, Bürgschaften der größeren Gründlich¬
keit zu finden, und sträuben sich gegen jede Veränderung
des Strafverfahrens in den Principien, wogegen Andere
vorzüglich gegen die Einführung der Geschwornengerichte
kämpfen, während sie das mündliche öffentliche Verfahren
gewähren wollen. Die Verhältnisse nun, unter welchen
der Kampf geführt wird, haben sich wesentlich geändert.
Die Verbreitung des constitutionellen Lebens, die dadurch
bewirkte erhöhte Theilnahme an öffentlichen Einrichtungen,
der vermehrte Sinn für Oeffentlichkeit, der Geist der
Prüfung, welcher nicht mehr wie einst vertrauensvoll und
gläubig Alles aufnimmt, was von der Regierung und den
Behörden ausgeht, sondern selbst ein Urtheil darüber fällt,
haben den Streit über die zweckmäßigsten Formen des
Strafprozesses aus dem engen Kreise der Rechtsgelehrten
und der praktischen Juristen hinaus auf das freie Feld
der Theilnahme des Volkes gedrängt. Zu den Schattensei=
ten eines bewegten politischen Lebens gehören leider politische
Sympathieen und Antipathieen und Mißtrauen gegen An=
dersdenkende. Die Richter sind vielfach aus ihren Ge=
richtsstuben auf den politischen Kampfplatz gedrängt und
genöthigt worden, auch ihre politischen Ansichten auszu¬
sprechen, die oft von denen der lebhafteren Bewegungs=
partei abweichen. Dadurch ist häufig ein Mißtrauen und
eine Verstimmung gegen Beamte und nach den Gesetzen
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