Full text: Archiv des Criminalrechts (N.F. Jg. 1845 (1845))

10 Die Lehre von der Ablehnung der Richter 
Die Lehre von der Recusation der Richter hat aber 
noch eine neue Bedeutung durch die Umwandlung der Ver¬ 
hältnisse erhalten, welche auf die Gesetzgebung über Straf= 
prozeß wirkten. Ein großer Kampf von vielfachen Ansich= 
ten hat sich entfaltet. Während ein Theil der Juristen 
das Heil nur in der Einführung des mündlichen öffentlichen 
Anklageverfahrens, insbesondere auch des Geschwornen¬ 
gerichts findet, glauben Andere in der Festhaltung an den 
Principien des bisherigen deutschen Prozesses, den sie zwar 
verbessern wollen, Bürgschaften der größeren Gründlich¬ 
keit zu finden, und sträuben sich gegen jede Veränderung 
des Strafverfahrens in den Principien, wogegen Andere 
vorzüglich gegen die Einführung der Geschwornengerichte 
kämpfen, während sie das mündliche öffentliche Verfahren 
gewähren wollen. Die Verhältnisse nun, unter welchen 
der Kampf geführt wird, haben sich wesentlich geändert. 
Die Verbreitung des constitutionellen Lebens, die dadurch 
bewirkte erhöhte Theilnahme an öffentlichen Einrichtungen, 
der vermehrte Sinn für Oeffentlichkeit, der Geist der 
Prüfung, welcher nicht mehr wie einst vertrauensvoll und 
gläubig Alles aufnimmt, was von der Regierung und den 
Behörden ausgeht, sondern selbst ein Urtheil darüber fällt, 
haben den Streit über die zweckmäßigsten Formen des 
Strafprozesses aus dem engen Kreise der Rechtsgelehrten 
und der praktischen Juristen hinaus auf das freie Feld 
der Theilnahme des Volkes gedrängt. Zu den Schattensei= 
ten eines bewegten politischen Lebens gehören leider politische 
Sympathieen und Antipathieen und Mißtrauen gegen An= 
dersdenkende. Die Richter sind vielfach aus ihren Ge= 
richtsstuben auf den politischen Kampfplatz gedrängt und 
genöthigt worden, auch ihre politischen Ansichten auszu¬ 
sprechen, die oft von denen der lebhafteren Bewegungs= 
partei abweichen. Dadurch ist häufig ein Mißtrauen und 
eine Verstimmung gegen Beamte und nach den Gesetzen 
Volage 
Staatsbibliothek 
Max-Planck-Institut für 
zu Berlin 
rop
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer