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Eine solche Aufgabe liegt in der Eingangs aufgestellten
Rechtsfrage, welche bei dem K. App.-G. in Zweibrücken
zur Entscheidung kam und welche um so interessanter er¬
scheinen muß, da selbst der Cassationshof in Paris in seinen
Ansichten über dieselbe wechselte und in den Jahren 1817,
1818 und 1820 gerade das Gegentheil von dem entschied,
was er in den Jahren 1810 und 1813 ausgesprochen hatte.
Das K. App.=G. fand sich hiedurch zu einer desto erschöp¬
fendern Untersuchung aufgefordert, und nach der sorgfäl¬
tigsten Prüfung konnte es der Ueberzeugung nicht wider¬
stehen, daß die frühere Meinung des franz. Cassations¬
hofs, obgleich späterhin von ihm selbst aufgegeben, nichts
destoweniger die richtige sey; eine Ueberzeugung, welche
hoffentlich auch der sachkundige Leser mit ihm theilen wird.*)
Im Jahr 1778 empfing Joh. Mich. Breitling von
Hauenstein von dem Collegiatstifte b. Mariæ virg. ad scalas
in Landau ein Darlehn und verpfändete zu dessen Sicher¬
heit ein Wohnhaus und mehrere Grundstücke.
Nachdem diese Forderung im J. 1820 der kath. Kir¬
chenfabrik in Landau zugewiesen worden, ließ dieselbe das
Hypothekarrecht am 3. März 1823 zum erstenmale in die
*) Dem aufmerksamen Beobachter wird überhaupt nicht entgangen
seyn, daß seit dem Ende des Kaiserreichs die Urtheile des Cassa¬
tionshofs in Paris an juristischem Werthe im Allgemeinen eher
verloren als gewonnen haben. Woher wohl diese auffallende Er¬
scheinung? Sollte sie nicht hauptsächlich ihren Grund in dem hef¬
tigen Partheienkampfe haben, welcher seit jener Zeit Frankreich
unaufhörlich erschüttert, und welcher nicht nur in gewissen Rechts¬
materien unmittelbar auf die Ansichten und Entscheidungen ein¬
wirkt, sondern auch manche Individuen mehr auf dem Wege der
Politik als auf dem des Verdienstes zu den höchsten Richterstellen
führt?
Voag
Staatsbibliothel
Max-Planck-Institut für
zu Berlin