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Um diese Zeit schickte mich mein Vater auf die Uni¬
versität Tübingen. Denn, ungeachtet meiner unordentli=
chen Lebensweise, hatte ich mit Hülfe einer glücklichen
Auffassungsgabe, vieler Gelehrigkeit und eines guten Ge=
dächtnisses, eine Menge von Vorkenntnissen erworben, die
mich wesentlich unterstützten. Unglücklicherweise aber brachte
ich auch ein verdorbenes Herz, und ein feuriges Tempera¬
ment mit dorthin, welches durch eine brennende Einbil¬
dungskraft und einen hohen Grad von Eitelkeit noch mehr
gereizt wurde. Die Neuheit der Gegenstände, der Reiz
des Umganges mit genialen, mit hoher Wissenschaft be=
gabten Maͤnnern, und die Verbindung mit jungen Leuten,
die gebildeter waren als ich, brachte mich dem regelmä¬
ßigen, dem wirklichen Leben wieder naͤher; aber dies
währte nicht lange, und bald verband ich auch mit die=
sem wieder die Träume meiner Einbildung, wiewohl diese
für den Augenblick in der That eine andere Richtung
nahmen. Durch meine Eitelkeit erregt, zeigten sie mir
den Weg zur Ehre und zum Ruhm, und sechs Monate
hindurch studirte ich mit außerordentlichem Eifer.
Und dies ist der Zeitpunkt, wo ich mich einem neuen
Laster ergab, dem Trunke. Bis hierher hatte ich keine
Neigung dazu gehabt, aber da meine neuen Kameraden
meine Mäßigkeit verhöhnten, so verleitete mich die falsche
Schaam, ihnen hierin nachzuahmen. Man denke sich die
Wirkung dieses neuen Giftes auf mich. Wie sehr mußte
es die Hitze meines ohnehin schon kochenden Blutes erhö¬
hen, mein Temperament entflammen, meine Einbildungs=
kraft, die schon so geneigt war, in der Region der Träu=
me umherzuschweifen, überspannen! Kein Wunder war
es, daß ich alle Arten von Tollheit, von unsinnigen, em¬
pfindsamen, ritterhaften Abentheuern, kurz Alles was aus
Voage
Staatsbibliothel
Max-Planck-Institut für
zu Berlin