Beurtheilung
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Auf manche Strafarten wird die Ansicht des Verf. ohne=
hin nicht passen, z. B. auf Todesstrafen, so daß immer
erst wieder durch andere Zwecke, die der Gesetzgeber herein=
zieht, er sich helfen kann; und so die Theorie des Verf. aus
andern Strafrechtstheorieen zusammengesetzt ist. Jn dem
Kap. II. kommen manche sehr beachtungswürdige und neue
Bemerkungen über die einzelnen Strafrechtstheorieen vor
eine vollständige Darstellung aller bisherigen Systeme mit
ihren Verzweigungen und der Angabe der Begründer dieser
Theorieen findet sich bei dem Verf. nicht, obwohl Rec. ge=
rade diese Darstellung in einer für die Zuhörer bestimmten
Einleitung am Platze gefunden hätte; so ist z. B. von den
Strafrechtstheorieen Schneider's, Unterholzner's,
Borst's, Martin's, Schulze's u. A. gar nicht die
Rede. Auch hätte die Entwickelung und Prüfung der
Strafsysteme des originellen Bentham und des geistrei¬
chen Romagnosi nicht fehlen sollen. Als Princip des Straf=
rechts stellt der Verf. (S. 25) auf: nur Rechtsverletzungen
dürfen und sollen von der Staatsgewalt und zwar von ihr
allein mit denjenigen Strafübeln geahndet werden, welche sie
aus hinreichenden Gründen für nothwendig halten muß, um
die durch das Verbrechen entstandene Unsicherheit der Rechte
wieder aufzuheben. Rec. hat manche Zweifel gegen dies
Princip. „Schon an sich kann auf Rechtsverletzungen
nicht das Strafrecht beschränkt werden; dieser Gesichts¬
punkt hat schon zu sehr irre geführt, als daß man die An¬
sicht länger beibehalten wünschen möchte. Welche Rechts¬
verletzung wird denn durch Blutschande, durch Duell
durch Selbstbefreiung der Gefangenen, durch Gottesläste¬
rung u. a. verübt? Will man mit Gewalt doch eine Rechts¬
verletzung in jedem Verbrechen finden, so kommt man zur
Aufstellung von den sonderbarsten grundlos geschaffenen
Rechten, um nur einen Gesichtspunkt zu finden, unter
welchem man manchss Verbrechen aufstellen kann. Auch
scheint durch das vom Verf. aufgestellte Strafprincip der
Gesetzgeber keinen festen Boden zu gewinnen; denn es
hängt rein von der individuellen Ansicht ab, wie viel Uebel
(der Strafe) der Gesetzgeber eben für nothwendig halten
will, um die durch das Verbrechen entstandene Unsicherheit
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