Full text: Neues Archiv des Criminalrechts (Bd. 9 (1826))

Beurtheilung 
186 
Auf manche Strafarten wird die Ansicht des Verf. ohne= 
hin nicht passen, z. B. auf Todesstrafen, so daß immer 
erst wieder durch andere Zwecke, die der Gesetzgeber herein= 
zieht, er sich helfen kann; und so die Theorie des Verf. aus 
andern Strafrechtstheorieen zusammengesetzt ist. Jn dem 
Kap. II. kommen manche sehr beachtungswürdige und neue 
Bemerkungen über die einzelnen Strafrechtstheorieen vor 
eine vollständige Darstellung aller bisherigen Systeme mit 
ihren Verzweigungen und der Angabe der Begründer dieser 
Theorieen findet sich bei dem Verf. nicht, obwohl Rec. ge= 
rade diese Darstellung in einer für die Zuhörer bestimmten 
Einleitung am Platze gefunden hätte; so ist z. B. von den 
Strafrechtstheorieen Schneider's, Unterholzner's, 
Borst's, Martin's, Schulze's u. A. gar nicht die 
Rede. Auch hätte die Entwickelung und Prüfung der 
Strafsysteme des originellen Bentham und des geistrei¬ 
chen Romagnosi nicht fehlen sollen. Als Princip des Straf= 
rechts stellt der Verf. (S. 25) auf: nur Rechtsverletzungen 
dürfen und sollen von der Staatsgewalt und zwar von ihr 
allein mit denjenigen Strafübeln geahndet werden, welche sie 
aus hinreichenden Gründen für nothwendig halten muß, um 
die durch das Verbrechen entstandene Unsicherheit der Rechte 
wieder aufzuheben. Rec. hat manche Zweifel gegen dies 
Princip. „Schon an sich kann auf Rechtsverletzungen 
nicht das Strafrecht beschränkt werden; dieser Gesichts¬ 
punkt hat schon zu sehr irre geführt, als daß man die An¬ 
sicht länger beibehalten wünschen möchte. Welche Rechts¬ 
verletzung wird denn durch Blutschande, durch Duell 
durch Selbstbefreiung der Gefangenen, durch Gottesläste¬ 
rung u. a. verübt? Will man mit Gewalt doch eine Rechts¬ 
verletzung in jedem Verbrechen finden, so kommt man zur 
Aufstellung von den sonderbarsten grundlos geschaffenen 
Rechten, um nur einen Gesichtspunkt zu finden, unter 
welchem man manchss Verbrechen aufstellen kann. Auch 
scheint durch das vom Verf. aufgestellte Strafprincip der 
Gesetzgeber keinen festen Boden zu gewinnen; denn es 
hängt rein von der individuellen Ansicht ab, wie viel Uebel 
(der Strafe) der Gesetzgeber eben für nothwendig halten 
will, um die durch das Verbrechen entstandene Unsicherheit 
Voege 
Staatsbibliothek 
Max-Planck-Institut für 
zu Berlin
	        
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