30
er mit solchen Fragen gar nicht beykommen
können. Man gebe aber sogar dem Richter
einen gewandten Psychologen oder Selbstbeob=
achter zu diesem Examen hin, er wird den=
noch kein gewisseres Resultat erhalten, vor=
ausgesetzt, daß der Examinant einiges Ge¬
wissen hat. Dieser wird antworten: freylich
ist mir dieser Zustand sehr unangenehm ge=
wesen, er hat mir viele Leiden verursacht,
aber, ob er gerade unerträglich oder erträg=
lich war, das kann ich mit Gewisheit nicht
behaupten. Denn Gefühle sind in ihren
Graden so fein abgestuft, sind von so flüch=
tiger Consistenz und im wirklichen Leiden ist
die Seele so sehr dem Leiden hingegeben und
so wenig zu Reflexionen über das Leiden ge=
stimmt, daß sich das Wenige oder Mehr
schlechterdings nicht messen, mit Genauigkeit
fixiren und unter seinen terminus technicus,
der ohnedies höchst schwankend ist, mit Ge=
wißheit bringen läßt. — Gesetzt auch, der Ge=
oge
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlin