Full text: Österreichische Zeitschrift für Rechts- und Staatswissenschaft (Jg. 1847, Bd. 2 (1847))

Anz. üb. Nippel's: Erläuterung der allg. Gerichtsordnung. 
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erkennt, wie das erste Gericht nach seiner Meinung hätte erkennen sol¬ 
len, eigentlich nicht reformirt, daher auch nicht in pejus, indem der erste 
Richter in diesem Falle noch gar nicht — also nicht für, nicht wider den 
Appellanten — in merito erkennt hat. Das appellatorische Erkenntniß, 
es möge wie immer ausfallen, wäre das erste in der Hauptsache, aber 
kein reformatorisches. Und gerade darin scheint mir der Stein des An¬ 
stoßes zu liegen. Jene Praxis, meine ich, habe ihren veranlassenden 
Grund darin, daß man in höherer Instanz nicht in einer Sache definitiv 
erkennen will, worüber in erster Instanz noch gar nicht gesprochen 
worden ist. Nach der Natur unserer, seit 1835 auch nach der allg. G. O¬ 
eingeführten Beiurtheile auf den Beweis durch Zeugen und Kunstver¬ 
ständige wird die Sache selbst darin gar nicht berührt, wie denn die¬ 
selben auch auf die Entscheidung in merito ganz ohne Einfluß bleiben 
können; es kann daher daraus die Finalentscheidung nicht einmal mit 
Sicherheit vermuthet werden. Wenn nun gleichwohl der obere Richter 
in Folge der ergriffenen Appellation die zugelassene Weisung für über¬ 
flüssig oder unentscheidend haltend, nach dem Auftrage des oftcitirten 
Gesetzes gleich in merito entscheidet; so spricht offenbar der obere Rich 
ter das erste Urtheil in der Sache und sollte dieses über weitere Beru¬ 
fung von dem obersten Justizhofe in merito abgeändert werden, so 
hätte man zwei verschiedene Urtheile, aber dagegen kein Rechtsmittel; 
die Parteien wären um eine Jnstanz verkürzt. Diesem könnte nur durch 
die Remission der Acten zur Schöpfung des Endurtheils an die erste 
Instanz abgeholfen werden, wozu freilich ein neues Gesetz nöthig 
erschiene*). — Hat der untere Richter dagegen ohne Berücksichtigung 
eines von einer Partei angetragenen Beweises durch Zeugen oder Kunst= 
verständige gleich das Urtheil in der Hauptsache geschöpft und der obere 
Richter, an den die Sache durch Appellation gediehen, findet dieses 
Urtheil abzuändern und vorläufig durch Beiurtheil auf den erwähnten 
Beweis zu erkennen; so muß nach verhandeltem Beweise sohin das Ur= 
theil von dem Richter erster Jnstanz gefällt werden, welches dann dem 
weiteren ordentlichen Rechtszuge unterliegt (§. 4 die allerhöchste Ent¬ 
1) Einen etwas ähnlichen Fall hat neuerlich Herr Appellationsrath Kitka 
im Juristen (Neue Folge, V. Bd. S. 132) erwähnt, worin ich ihm ganz 
beipflichte. 
12* 
Max-Planck-Institut für
	        
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