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Rede für denselben.
wollten dem Traian nicht opfern; und deswe¬
gen wurde ihre selige Beständigkeit als ein
höchststräflicher Eigensinn geahndet: der stand¬
hafte Cato will dem Cesar nicht huldigen; und
deswegen wird seine unüberwindliche Gro߬
muth als ein laͤcherlicher Eigensinn verdammt.
Es soll sich endlich bey dem grossen Cato
die Begierde, sich durch eine unerhöͤrte That
einen unsterblichen Namen zu erweken, mit dem
Dekmantel einer Stoischen Großmuth verhült
haben. Alleine, seine That ist eben nicht so
unerhört; da sie die vornehmsten Stoiker, und
tausend andere, vor und nach ihm begangen
haben. Und wenn es erlaubt wäre, die besten
Absichten eines tugendhaften Menschen zu mis¬
deuten, bey einer jeden seiner Handlungen in
dem Innersten seines Herzens zu gruͤbeln, und
dasselbe, so zu sagen, auf das allergenaueste
zu entfalten; so wurde keine Handlung so voll¬
kommen und so uneigennüzig seyn können, daß
es nicht möglich seyn sollte, sie auch von ei=
ner schlimmen Seite zu betrachten, und in dem
allerbesten Verfahren eine zum wenigsten ver¬
muthliche Schwäche zu entdeken. Wenn man
dem gelehrten Herrn Veraͤchter, des fast bey
allen Menschen so beliebten Cato, sagen sollte,
daß Er nur deßwegen diesen unvergleichlichen
Weisen verdammt haͤtte, um sich noch mehr,
durch eine wenig erhöͤrte Handlung, bey dem,
Jhm mit gröstem Rechte gebührenden Ruhm
eines vielvermogenden Redners zu erhalten; so
würde Er dieses, ohne Zweifel, eine sehr un¬
billige
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euro