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die sämmtlichen Erfodernisse der Urkundenfälschung nicht
vollständig auf, bemerkt jedoch im Verlauf seiner einzelnen
Bestimmungen, und zwar nachdem die unter lit. b gedroh¬
ten Strafen genannt sind, daß dieselben nur auf den Fall
anwendbar seien, wo die nachgemachten oder in ihrem
Gehalt veränderten Urkunden in öffentlichen bestünden.
Sieht man indessen auch davon ab, daß an dieser Stelle
offenbar nicht bestimmt werden sollte, wie die Urkundenfäl¬
schung begangen werde und was geschehen sein müsse, um
dieses Verbrechen als begangen annehmen zu können, son¬
dern daß hier augenfällig nur angedeutet werden sollte, daß,
sobald das Verbrechen der Fälschung öffentlicher Urkunden
vorliege, es in Absicht auf die Strafe keinen Unterschied
mache, ob eine Fälschung oder eine Verfälschung vorliege,
d. h. ob eine unächte Urkunde dolose gefertigt oder eine
ächte dolose verändert worden sei, so verhält es sich mit
dem deutschen Worte „nachgemacht" wie mit dem lateini¬
schen „imitari“ nach obiger Erörterung, indem man in der
weiteren Bedeutung jenes Wortes unter einer nachgemach¬
ten Urkunde ganz füglich auch eine solche verstehen kann
und zu verstehen pflegt, welche ohne künstliche Nachahmung
der Schriftzüge in betrügerischer Absicht auf den Namen ei¬
nes Dritten ausgestellt worden ist.
Die hier vertheidigte Ansicht scheint auch unserm dem¬
nächst zur Geltung gelangenden neuen Strafrechte zu ent¬
sprechen. Nachdem nämlich in mehreren andern neuern Ge¬
setzgebungen der Unterschied zwischen blos betrüglich gefertig¬
ten und betrüglich nachgeahmten Privaturkunden mehr oder
minder aufgegeben war, z. B. im österreichischen Gesetzbuch:
„wer falsche Privaturkunden verfertigt oder ächte verfälscht"
(Art. 180), — im bayrischen Gesetzbuch: „wenn Jemand Pri¬
vaturkunden auf fremden Namen ausstellt oder verfertigt,
oder betrüglich nachahmt, in einer dergleichen gültigen Ur¬
kunde betrüglich etwas verändert rc." (Art. 266),
— im
Code pénal, wo contrefaçon, altération d'écritures ou de
Max-Planck-Institut für