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der Richter nicht berechtigt, den aus den Verwandschafts¬
verhältnissen der Zeugen hergenommenen gesetzlichen Grund
der schon an sich auf die Verhältnisse des Vormunds nicht
paßt, ausdehnend in Anwendung zu bringen. Auch aus
der Natur der vom Vormunde übernommenen Pflichten ge¬
gen seine Pflegbefohlenen, geht seine Unfähigkeit als Testa¬
mentszeuge nicht hervor. Hat er gleich Kraft seines Amtes
Pflichten, für das Beste seiner Pflegbefohlenen zu sorgen,
so liegt doch darin noch kein Grund, um die im Gesetze
von der natürlichen Zuneigung wahrer Verwandten entnom¬
mene Vermuthung auch auf den Vormund ausdehnen zu
wollen.
In dem speciellen Falle trat noch die Ungewißheit ein
ob D. schon zur Zeit der Testamentserrichtung Vormund
der W.=schen Kinder gewesen sey? — Wäre er es später
geworden, so würde, glaubte man, dieses Hinderniß nicht
auf das Vergangene zurückgezogen werden können.
II.
Wichtiger erschien jedoch, als weiterer Nichtigkeitsgrund
des Testaments, daß einer der Testamentszeugen, D., der
Großonkel der Testamentserben sey. Factisch war dieses
Verhältniß in dritter Instanz nachgewiesen, dagegen in
dem vorhergehenden ganzen Laufe des Rechtsstreites, dasselbe
nicht als Nichtigkeitsgrund speciell aufgeführt. — Daher
wollte dem Oberhofgerichte vom oberappellatischen Sach¬
walter die Befugniß, dieses Verwandtschafts=Verhältniß
zum Entscheidungsgrunde zu nehmen, bestritten werden.
Das Erkenntniß dürfe nämlich nur aus denen von den
Parthieen vorgetragenen Klaggründen und Einreden herge¬
nommen, und es dürfe nicht über Etwas entschieden werden,
worüber keine Entscheidung verlangt sey.
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Max-Planck-Institut für