Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (1)

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das Urtheil bei den Schöffen und Beisitzern. Diese 
waren Männer aus dem Volke, ebenbürtig mit dem 
zu Richtenden, arm an Bücherweisheit und Advokaten 
kniffen, meist aber reich an Erfahrung, klar von Kopf, 
edel von Herzen und angesehen von Charakter. Sie 
waren „Finder des Rechts" und wurden als solche 
vereidet. In dieser Weise sprach das Volk selbst Recht, 
wie dies die alte, deutsche Sitte seit undenklichen 
Zeiten gewesen. Das Verfahren war dabei möglichst 
einfach, die Verhandlungen mündlich und öffentlich, 
das Urtheil, falls es nicht sogleich „gescholten, d. h. 
angegriffen und für ungerecht erklärt wurde, rechts 
kräftig und unabänderlich. Das Gericht wurde von 
dem seines Rechts kundigen Volke selbst geübt und 
bedurfte keiner höheren Bestätigung. Wurde das Ur 
theil „gescholten"„ so kam die Sache vor andere 
Schöffen und manchmal auch vor ein Obergericht, 
das aber auch wieder nicht aus gelehrten Juristen, 
sondern aus Männern aus dem Volke bestand, die 
durch Wissen und Charakter das Vertrauen, Recht zu 
sprechen, sich erworben hatten. In dieser Weise sprach 
das deutsche Volk noch bis ggen Ende des 15 Jähr 
hunderts sich selbst Recht und war damit zufrieden. 
Seit undenkbaren Zeiten war es so gewesen, kein 
kostspieliges Beamten= und Schreiberpersonal war dazu 
nöthig, keine Advocaten mästeten sich von fetten Pro 
cessen auf Kosten des Volkes. Klar und einfach wie 
das Recht selbst im Volke lebte, war auch die Rechts 
sprechung. 
10 
n 
VIII. 
Die Revolution des römischen Rechtes. 
Nichts auf Erden ist vollkommen und auch 
die Zustände des deutschen Volkes zu Ausgang des 
Mittelalters waren es nicht. Schon aus diesem 
Grunde wäre es Thorheit, die bloße Rückkehr jener 
Zustände zu wünschen und zu erstreben. Dazu gesellt
	        
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