Full text: ¬Das gemeine deutsche und hansestadtbremische universelle Vermögensrecht auf Grundlage der modernen Volkswirtschaft (2,2)

§. 114. Schuldvertrag. 
Vertrag, bei dem die durch das positive Recht für den Eintritt 
der rechtlichen Folgen festgesetzten Voraussetzungen nicht vorliegen, 
ist demnach kein Vertrag, wenn schon derselbe nach seiner wirt 
schaftlichen Seite vollkommen ist. Es gehört zu dem Wesen des 
Vertrages, daß in seiner Folge ein obligatorisches Rechtsverhältniß 
eintritt, daß die contrahirenden Wirtschafter berechtigt und ver 
pflichtet, Gläubiger und Schuldner werden. 
Wir haben sonach zwei Momente beim Vertrage genau zu 
scheiden, das rein wirtschaftliche der Willenseinigung und das 
juristische des in Folge derselben entstehenden obligatorischen Rechts 
verhältnisses. 
Durch diese Scheidung löst sich die bekannte, lediglich wieder 
auf Unklarheit der Begriffe beruhende juristische Streitfrage, ob 
es blos obligatorische oder auch dingliche Verträge gebe. Es giebt 
weder obligatorische noch dingliche Verträge, sondern lediglich 
wirtschaftliche Verträge, an welche das Recht die Entstehung eines 
obligatorischen Rechtsverhältnisses knüpft. Ein Vertrag erzeugt 
übrigens stets, wenn er überall Rechtsverhältnisse erzeugt, obliga 
torische Rechtsverhältnisse, nie unmittelbar dingliche. Die in Folge 
des obligatorischen Rechtsverhältnisses erfolgende wirtschaftliche Lei 
stung kann aber allerdings, wenn für die Entstehung eines Sachen 
rechts die juristischen Voraussetzungen vorliegen, zu einem Sachen 
rechte des Empfängers an dem Gegenstande des obligatorischen 
Rechtsverhältnisses führen. Für die Tradition haben wir diese 
Gedanken bereits oben speziell durchgeführt 1). 
Die Willenseinigung der Parteien involvirt eine wirtschaft 
liche Disposition des sich Verpflichtenden, indem. das Recht die 
juristische Wirkung der Entstehung oder Erlöschung eines obliga 
torischen Rechtsverhältnisses an dieselbe knüpft. Der sich Ver 
pflichtende macht durch den Vertragsabschluß sein Vermögen schon 
zum Executionsobjekte für den Berechtigten. 
Wir sehen hier wieder sehr deutlich, wie innig die rechtlichen 
und wirtschaftlichen Elemente in den Rechtsinstituten mit einander 
verschmolzen sind. Wie wichtig übrigens diese Zergliederung des 
Vertrages nach seinen wirtschaftlichen und rechtlichen Elementen ist, 
wird sich bei den folgenden Erörterungen deutlich zeigen. 
1) S. §. 51.
	        
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