1. Buch. 3. Tit. §. 82.
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aber heißt ein Recht oder Gesetz alsdann geschrieben,
wenn es schriftlich verfaßt, und nicht geschrieben
wenn es nicht schriftlich aufgezeichnet ist, sondern blos durch
das Gedächtnis erhalten wird. Nach diesem Unterschiede
kann daher 1) ein Recht ein geschriebenes oder ungeschrie
benes in beyderley Verstande zugleich seyn. 2) Es kann
ein Recht, das im grammatischen Sinn ungeschrieben ist,
dennoch ein geschriebenes Recht im juristischen Verstande,
und so auch umgekehrt seyn. 3) Es kann ein Recht, sei
nem Ursprung nach, ungeschrieben im juristischen Verstande
seyn, und in ein geschriebenes Recht im juristischen Sinn
verwandelt werden. Das römische Recht giebt uns davon
genug Beyspiele, wie aus Gewohnheitsrechten in der Folge
Gesetzbücher entstehen können. War nicht das ganze ius
honorarium, welches aus den Edicten der Prätoren und
anderer römischer Magistratspersonen herstammt?8), des
gleichen das eigentlich sogenannte ius civile ?*), welches aus
den Gesetzerklärungen und Gutachten der römischen Rechts
gelehrten seinen Ursprung genommen, und durch den Ge
richts.
hat Ge. D'ARNAUD in var. Coniectur. iur. civ. Lib. I. cap. X.
mit vielen Stellen der Alten erwiesen.
26) CICERO de inventione lib. II. c. 22. und in dieser Hinsicht
schreibt auch PAULUS Sentent. Recept. V. 4. 6. 7. namentlich
die vom Prätor eingeführte actionem iniuriarum aestimatoriam
den moribus zu.
27) L. 2. §. 5. D. de O. 1. — Haec disputatio (fori) et hoc
ius, quod sine seripto venit, compositum a Prudentibus, pro
pria parte aliqua non appellatur — sed communi nomine ap
pellatur IUS CIVILE, und §. 12. heißt es: est proprium iUs
CIVILE, quod sine scripto in sola Prudentium interpretatione
consistit.