Die allgemeinen Formen des sinnlichen Anschauens. § 8.
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Vorstellungen in uns; sie sind objectiv als reale, von uns unabhängige Be¬
dingungen wirklicher sinnlicher Gegenstände. Die Raumvorstellung gehört, wie
die Vorstellung der Ausdehnung selbst, strenge genommen nur dem Gesichts¬
sinne und in Verbindung mit dem Gesichtssinne dem Tastsinne an, und wenn
sich auch an die Empfindungen der übrigen Sinne die Raumform anlegt, so
geschieht dieses darum, weil wir den Gesichtsvorstellungen vor allen andern
Vorstellungen den Vorzug geben und weil wir bei den Empfindungen durch die
andern Sinne immer ein Object voraussetzen, welches auch sichtbar und darum
im Raum befindlich ist. Hören wir z. B. hinter einem Gebüsche ein Geklapper,
so sehen wir in unserm Innern sofort eine Mühle nebst den sich bewegenden
Rädern und ihrem sonstigen Zubehör. Nur insofern ist der Satz wahr, daß
wir Alles, was wir äußerlich anschauen, im Raum anschauen. Der Raum soll
weder ein wirkliches substanzielles Ding, noch Qualität eines wirklichen substan¬
ziellen Dinges sein: weil aber dasjenige, das Realität haben soll, entweder
Substanz oder Qualität ist, so würde aus jener Behauptung folgen, daß es
gar keinen realen Raum gäbe. Auch läßt sich gar nicht einsehen, wie ein soge¬
nanntes Etwas, das weder Substanz noch Qualität ist, Bedingung für ein regles
Etwas sein könne. Wenn es daher wirkliche Ausdehnungen geben soll, so muß
auch der Raum ein reales Etwas sein. Hieraus folgt aber nicht, daß der Raum
ein von der Ausdehnung selbst verschiedenes Etwas sein müsse, sondern die
Ausdehnung selbst könnte möglicher Weise dieses Etwas sein. An dem äußern
Objecte unterscheiden wir zweierlei: die Ausdehnung und das Ausgedehnte
Nun nennen wir allerdings nicht das Ausgedehnte selbst, z. B. den Stein
oder den Baum, Raum, sondern wir verstehen unter Raum die Ausdeb¬
nung als solche, d. i. die Ausdehnung allgemein und formal
vorgestellt, ohne Rücksicht auf die besondere und materiale Verschiedenheit der
Objecte, welche ausgedehnt sind, aber noch immer mit Rücksicht auf die Ausdeb¬
nung im Allgemeinen. Allerdings läßt sich auch die Vorstellung des Raumes ganz
abstrack fassen und wir gewinnen dann auf dem höchsten Standpunkte der Abstraction
die Vorstellung des absolut Leeren, in welchem es keine reale Ausdeh¬
nung gibt, und man kann dann versucht werden, diesen absolut leeren Raum
(dieses Nichts) für den eigentlichen wahren Raum zu halten: doch ist diese Vor¬
stellung, wie gesagt, nur Abstraction, zudem ist sie insofern nur illusorisch, als wir
uns nicht von einem absolut, sondern nur von einem relativ Leeren eine
anschäuliche Vorstellung machen können. Die Vorstellung dieses Raumes ist
also höchstens Gedankending. Die Vorstellung des (relativ) leeren Raumes findet sich
besonders bei der Wahrnehmung feinerer Ausdehnungen, d. i. eines nicht von
gröbern Stoffen erfüllten Raumes, einer leeren Stube z. B., in welcher sich
möglicher Weise viele ausgedehnte Gegenstände, Schränke, Tische, Bänke befinden
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung