3. Methode der Psychologie. § 3.
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mit Scheu und Ehrfurcht behandeln; er soll die sprachlichen Bezeichnungen sehr
wohl berücksichtigen und nicht eher neue Zeichen und Ausdrücke erfinden, bis die
Nothwendigkeit ihn dazu zwingt; er soll die Ausdrücke, die er aus ihrem Schatze
nimmt, in dem Sinne nehmen, welcher durch den allgemeinen Sprachgebrauch
d. i. durch die allgemeine Einstimmung der Nation geheiligt ist, und sich nicht er¬
kühnen, ihnen, seiner Lehre zu Gefallen, einen neuen Sinn listig unterzuschieben
oder gewaltsam aufzudrängen; er soll es immer als ein böses Zeichen für seine
Lehre ansehen, wenn er für diese den Ausdruck in der Sprache entweder nicht
finden kann, oder wenn der Ausdruck doch für den Gedanken nicht passen will*). Daß
auch die Lehren des Christenthums für eine bessere Begründung der Psy¬
chologie von entscheidender Wichtigkeit gewesen sind, unterliegt keinem Zweifel.
III. Methode der Psychologie.
§ 3.
Unter Methode (welches Wort im Allgemeinen ein Nachgehen, Nach¬
spüren, Verfolgen bezeichnet) versteht die Logik das wissenschaftliche Ver¬
ahren in formaler Hinsicht überhaupt, d. i. das Verfahren nach ge¬
wissen leitenden Vorschriften, deren man sich als zum Zwecke führender klar be¬
wußt geworden ist. Hiedurch unterscheidet sich die Methode wesentlich von der
Manier. Insbesondere verstehen wir unter Methode die wissenschaftliche Art
zu lehren d. i. gewisse Erkenntnisse Andern mitzutheilen, welche diese Er¬
kenntnisse noch nicht besitzen, denen übrigens der Besitz derselben nothwendig
oder doch nützlich ist. Die Methode ist keineswegs Sache der Willkür, sondern
ie ist Sache der Nothwendigkeit; sie ist es, welche dem rohen Stoffe die Form
gibt, worin das Material sichtbar wird und wodurch das Lehrmittel zur eigentli¬
chen Lehre wird. Weil die Methode wesentlich auf wissenschaftliche Erkenntniß
ausgeht, die vollendete Erkenntniß aber erst im eigentlichen Urtheile, d. i. in
der Verbindung eines Prädicates mit einem Subjecte sich kundgibt, so ist alle
Frage nach Methode einerlei mit der Frage, wie es anzufangen sei, um auf
dem kürzesten und sichersten Wege darüber zu entscheiden, ob einem gegebenen
Subjecte ein fragliches Prädicat zukomme oder nicht zukomme. Hier sind zwei
und nur zwei Fälle möglich. Entweder verwandeln wir Subject und Prädicat in
einen behauptenden Satz und suchen diesen Satz zu beweisen; oder wir
verwandeln Subject und Prädicat in eine Frage und suchen diese Frage zu
beantworten. Das erste Verfahren ist das synthetische, das zweite ist das
analytische: dieses ist überall möglich, wohingegen jenes nur unter der Be¬
*) Suabedissen: Ueber die innere Wahrnehmung S. 5—6.
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Max-Planck-Institut für Bildungsforschung