Full text: Psychologie. ¬Die Lehre von dem Erkenntnißvermögen (Th. 1)

Dichtungsvermögen. Verschiedenheit der Dichtungen. § 47. 
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oder endlich allein aus andern Dichtungen erzeugt werden, entweder aus Ver¬ 
bindungen oder aus Trennungen oder aus Verbindungen und Trennungen frü¬ 
herer Sinnesvorstellungen zugleich hervorgehen. Allem Bisherigen zufolge sind also 
die sinnlichen Dichtungen zusammengesetzte, dem Stoffe nach zwar aus frühern oder 
gegenwärtigen sinnlichen Anschauungen, entweder durch Verbindung oder durch 
Trennung oder durch Beides zugleich erzeugte, aber der Form nach neue 
Vorstellungen, in welchen uns ein anschaubares Object erscheint, das, so 
wie es ist, weder in einer gegenwärtigen Wahrnehmung vorkommt, noch in 
einer frühern vorgekommen ist. Die gewöhnlichsten sinnlichen Dichtungen ent¬ 
tehen dadurch, daß a) der Seele mehrere, in der Wahrnehmung gegebene 
Objecte zugleich vorschweben; daß die Seele b) von diesen Objecten mehrere 
Beschaffenheiten oder Merkmale aufsammelt, andere hingegen in den Hintergrund 
stellt; daß endlich die Seele c) die, wirklich oder vermeintlich, zusammengehö¬ 
renden Beschaffenheiten oder Merkmale an einanderlegt, mit einander verbindet 
und zu einer Totalvorstellung vereinigt. Wo nun die Phantasie eine ihr ange¬ 
hörende Vorstellung, d. i. eine sinnliche Dichtung erzeugt, und wo dann die 
Dichtung nicht sofort und uns unbewußt hervortritt, da bemerken wir jederzeit 
drei Stücke, nämlich: 1) eine zwar oft geringe, aber eine eben so oft sehr wahr¬ 
nehmbare Aufbietung der Thätigkeit; 2) ein allmähliges Zusammenbringen der 
einzelnen Theile; 3) eine stufenmäßige Vollendung des Ganzen. 
3. Verschiedenheit der sinnlichen Dichtungen. 
§ 47. 
Die sinnlichen Dichtungen entstehen der täglichen Erfahrung zufolge ent¬ 
weder ohne Bewußtsein und Absicht, oder mit Bewußtsein und Absicht?). Wenn 
die Einbildungskraft ihrem blinden Laufe preisgegeben ist, wenn dunkle und 
verworrene Anschauungen in uns vorhanden sind, oder wenn stärkere Gefühle 
und Begierden unser Gemüth bestürmen, so häufen sich oft Bilder auf Bilder 
und es entstehen Reihen von Vorstellungen, wie wir sie früher im Wege unsers 
inlichen Erkennens niemals gehabt haben. Theile getrennter Körper verbinden 
sich zu einem, einzelne Fragmente verschiedener Begebenheiten fleßen in eine 
zusammen; der Schatten wird zum Thiere, der Baum zum Menschen, zum Räu¬ 
ber, zum Gespenste gemacht; der Soldat findet sich in feindlichen Schaaren und 
kehrt mit Chre und Beute beladen zurück, der Spieler hat schweres, Geld ge¬ 
) Diesen Untersched unter den Dichtungen hat schn sehr richtig hervorgehoben der zu 
seiner Zeit um die Pfpchologie wohlberdiente Ueberwaffer Enp. Pfpchol. Abth. 1. Mün= 
ster, 1794. (2. Aufl.) § 246 ff. 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschur
	        
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