Full text: Oswald, Hans: Soziale Beziehungen und Interaktionen unter Grundschulkindern

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mit den anderen und insofern eine Dyade mit Dominanzanspruch 
der Untergruppe der vier anderen Mitglieder gegenüberstand. 
Für die Welt der Gleichaltrigen typischer und wahrscheinlich 
dauerhafter (H. Oswald/L. Krappmann 1984) scheint uns eine 
Gruppierung zu sein, die wir "Geflecht" nennen. Wieder fanden 
wir unter Mädchen das deutlichste Beispiel. Dabei handelte es 
sich um einen Kreis von Kindern, dessen Außengrenze deutlich 
erkennbar war und sich über Jahre hinweg kaum änderte, deren 
Mitglieder aber untereinander wechselnde Freundschaften schlos¬ 
sen. Das Geflecht bildete sozusagen ein Reservoir für Freund- 
schaften, in dem es unter anderem deshalb zu Animositäten kam, 
weil man sich gegenseitig die Freundin abspenstig machte. Zu 
keinem Zeitpunkt nannten sich deshalb alle Mädchen Freundinnen, 
obgleich sich die meisten im Laufe der Zeit, oft sogar mehr¬ 
fach, als Freundinnen bezeichneten. Erstaunlich war die Sta¬ 
bilität dieser Gebilde über zwei Jahre hinweg. Uns scheint auf- 
grund dieser Ergebnisse, daß die durch soziometrische Messungen 
festgestellte zeitliche Instabilität von Kinderfreundschaften 
(vgl. etwa P. L. Busk u.a. 1973, M. T. Hallinan 1979, N. B. 
Tuma/M. T. Hallinan 1979) unter anderem deshalb überschätzt 
wird, weil das Auf und Ab von Freundschaften in Gruppierungen 
des Typs "Geflecht" dazu führt, daß Kinder, die durchaus eine 
dauerhafte Beziehung haben, aber sich zeitweise nicht Freundin 
bzw. Freund nennen, für diese Zeitpunkte fälschlich als ohne 
Beziehung miteinander eingestuft werden. 
Ein dritter Typ von Gebilde, der nahezu keine Gruppenmerkmale 
hat und deshalb nicht unter den Begriff "Gruppierung" subsu¬ 
miert wird, nennen wir "Interaktionsfeld". Ein Interaktionsfeld 
besteht aus Kindern, die untereinander nicht befreundet sind, 
teilweise äußern sie sogar deutlich negative Gefühle fürein- 
ander, die aber untereinander regelmäßiger und häufiger inter- 
agieren als mit anderen Kindern. Das Interaktionsfeld der Mäd- 
chen bestand aus isolierten Mädchen, die sich im Klassenraum an 
einen Gruppentisch setzten und recht freundlich miteinander um-
	        
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