Full text: Oswald, Hans: Soziale Beziehungen und Interaktionen unter Grundschulkindern

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bewußt. Glücklicherweise sind wir bei unseren Schulbeobachtun- 
gen nie an diese Grenze gekommen. 
Ein weiteres Problem besteht darin, daß die den Kindern ver- 
sprochene Diskretion für Lehrer doch schwer zu ertragen ist. 
Sie wissen sehr gut, daß die Beobachter manch wichtigen Vorgang 
besser durchschauen als Lehrer, da diese dem Geschehen oft fern 
und auf ihr Unterrichtsziel konzentriert sind. Wir sind allen 
Lehrern dankbar, daß sie diese Informationsasymmetrie ertrugen, 
nachdem sie einsahen, daß unser Versprechen an die Kinder für 
den Untersuchungserfolg unabdingbar war. Schwieriger war es 
manchmal mit den Eltern, die als Erziehungsberechtigte einen 
rechtlichen Anspruch auf alle ihre Kinder betreffenden Informa- 
tionen haben. Aber auch die Eltern ließen sich überzeugen, daß 
unser Untersuchungsziel anders nicht zu erreichen war und 
unsere Haltung letztlich auch dem Respekt vor der zu schützen¬ 
den Intimsphäre ihres Kindes diente. Im Forschungstagebuch 
steht unter dem Datum vom 18.9.1980, an dem der erste Eltern¬ 
abend stattfand: "Es wird viel Takt erfordern, den Eltern 
klarzumachen, daß wir zwar von ihnen etwas über ihre Kinder 
wissen wollen, daß wir selbst aber nichts Konkretes über ihre 
Kinder sagen können, da wir auch diesen gegenüber und auch in 
bezug auf die Eltern zur Anonymität verpflichtet sind." Diese 
Sorge erwies sich insgesamt als grundlos. 
Die neun- bis zehnjährigen Viertkläßler verstehen die Forscher- 
rolle genau. Sie fragten noch einige Male nach, ließen sich die 
Notizen erläutern, dann verloren sie das Interesse und benahmen 
sich normal. Viele Kinder freuten sich zwar nach einiger Zeit, 
wenn wir kamen, und wollten, daß wir uns neben sie setzten. 
Teilweise mag dies auch daran gelegen haben, daß wir ab und an 
halfen, wenn wir danach gefragt wurden. Aber andererseits "ver- 
4 Anders war es beim Aufenthalt im Schullandheim mit der Klasse 
B 5, bei der wir beauftragte Begleiter und als solche verant- 
wortlich waren. Hier mußten wir immer wieder eingreifen und 
Problemfälle mit der Lehrerin besprechen. Tatsächlich hat uns 
dies bei einigen der schwierigeren Jungen Kredit gekostet und 
die Beobachtungsmöglichkeiten eingeschränkt.
	        
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