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bewußt. Glücklicherweise sind wir bei unseren Schulbeobachtun-
gen nie an diese Grenze gekommen.
Ein weiteres Problem besteht darin, daß die den Kindern ver-
sprochene Diskretion für Lehrer doch schwer zu ertragen ist.
Sie wissen sehr gut, daß die Beobachter manch wichtigen Vorgang
besser durchschauen als Lehrer, da diese dem Geschehen oft fern
und auf ihr Unterrichtsziel konzentriert sind. Wir sind allen
Lehrern dankbar, daß sie diese Informationsasymmetrie ertrugen,
nachdem sie einsahen, daß unser Versprechen an die Kinder für
den Untersuchungserfolg unabdingbar war. Schwieriger war es
manchmal mit den Eltern, die als Erziehungsberechtigte einen
rechtlichen Anspruch auf alle ihre Kinder betreffenden Informa-
tionen haben. Aber auch die Eltern ließen sich überzeugen, daß
unser Untersuchungsziel anders nicht zu erreichen war und
unsere Haltung letztlich auch dem Respekt vor der zu schützen¬
den Intimsphäre ihres Kindes diente. Im Forschungstagebuch
steht unter dem Datum vom 18.9.1980, an dem der erste Eltern¬
abend stattfand: "Es wird viel Takt erfordern, den Eltern
klarzumachen, daß wir zwar von ihnen etwas über ihre Kinder
wissen wollen, daß wir selbst aber nichts Konkretes über ihre
Kinder sagen können, da wir auch diesen gegenüber und auch in
bezug auf die Eltern zur Anonymität verpflichtet sind." Diese
Sorge erwies sich insgesamt als grundlos.
Die neun- bis zehnjährigen Viertkläßler verstehen die Forscher-
rolle genau. Sie fragten noch einige Male nach, ließen sich die
Notizen erläutern, dann verloren sie das Interesse und benahmen
sich normal. Viele Kinder freuten sich zwar nach einiger Zeit,
wenn wir kamen, und wollten, daß wir uns neben sie setzten.
Teilweise mag dies auch daran gelegen haben, daß wir ab und an
halfen, wenn wir danach gefragt wurden. Aber andererseits "ver-
4 Anders war es beim Aufenthalt im Schullandheim mit der Klasse
B 5, bei der wir beauftragte Begleiter und als solche verant-
wortlich waren. Hier mußten wir immer wieder eingreifen und
Problemfälle mit der Lehrerin besprechen. Tatsächlich hat uns
dies bei einigen der schwierigeren Jungen Kredit gekostet und
die Beobachtungsmöglichkeiten eingeschränkt.