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und ohne weiteres auch der Untersuchung auf der sechsten Jahr¬
gangsstufe zustimmten. Das gute Verhältnis zu den Eltern dieser
Klasse machte es leicht, auch in die anderen Schulklassen hin-
einzukommen, weil an einer so kleinen Schule viele Querverbin-
dungen bestehen und es sich herumgesprochen hatte, daß unsere
Untersuchung den Kindern keinen Schaden zufügt.
Der Zugang und das gute Verhältnis zu Rektor, Lehrern und El-
tern ist unerläßliche Voraussetzung für eine Untersuchung an
Schulen. Am wichtigsten aber ist der Zugang zu den Kindern,
deren Interaktionen beobachtet werden sollen. Das erscheint
unmöglich, wenn nicht auch ihr Vertrauen gewonnen wird. Von
Anfang an machten wir den Kindern deutlich, daß wir sie als
Personen ernst nähmen. Auch ihnen gegenüber legten wir unsere
Absichten offen dar. Wir stellten uns vor, erläuterten, daß wir
Forscher seien, aber nicht Fische am Korallenriff, sondern Men¬
schen erforschten. (Zwischenrufe: "Dann erforscht Ihr Euch ja
selber." "Seid Ihr berühmte Forscher?") Wir legten dar, daß wir
Kinder erforschten, ihre Freundschaften, ihre Streitereien etc.
Wir erklärten den Kindern auch, daß sie das Recht hätten, die
Beobachtung zu verweigern. Nur ein Mädchen einer sechsten
Klasse hat dieses Recht für sich in Anspruch genommen. Der
wichtigste Teil des Vorstellungsgesprächs mit den Klassen be-
trifft die Vertraulichkeit der Beobachtungen. Wir versprachen -
und hielten uns streng an dieses Versprechen -, den Lehrern und
den Eltern nie weiterzusagen, was wir sehen würden oder von den
Kindern erzählt bekämen, auch wenn es etwas wäre, was man
eigentlich nicht tun sollte. Die Schüler aller Klassen merkten
schnell, daß wir die Wahrheit sagten, weil sie feststellen
konnten, daß die von uns beobachteten verbotenen Handlungen
niemals durch unser Zutun zu Konsequenzen führten. Daher betru¬
gen sie sich bald sehr ungeniert, und wir lernten auf diese
Weise Aspekte des Kinderlebens kennen, die sich uns ohne dies
Versprechen sicherlich weniger deutlich erschlossen hätten. Wir
haben lange die ethischen Aspekte dieses Vorgehens diskutiert
und waren uns der Grenzen einer derartig "neutralen" Haltung