Full text: Oswald, Hans: Soziale Beziehungen und Interaktionen unter Grundschulkindern

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und ohne weiteres auch der Untersuchung auf der sechsten Jahr¬ 
gangsstufe zustimmten. Das gute Verhältnis zu den Eltern dieser 
Klasse machte es leicht, auch in die anderen Schulklassen hin- 
einzukommen, weil an einer so kleinen Schule viele Querverbin- 
dungen bestehen und es sich herumgesprochen hatte, daß unsere 
Untersuchung den Kindern keinen Schaden zufügt. 
Der Zugang und das gute Verhältnis zu Rektor, Lehrern und El- 
tern ist unerläßliche Voraussetzung für eine Untersuchung an 
Schulen. Am wichtigsten aber ist der Zugang zu den Kindern, 
deren Interaktionen beobachtet werden sollen. Das erscheint 
unmöglich, wenn nicht auch ihr Vertrauen gewonnen wird. Von 
Anfang an machten wir den Kindern deutlich, daß wir sie als 
Personen ernst nähmen. Auch ihnen gegenüber legten wir unsere 
Absichten offen dar. Wir stellten uns vor, erläuterten, daß wir 
Forscher seien, aber nicht Fische am Korallenriff, sondern Men¬ 
schen erforschten. (Zwischenrufe: "Dann erforscht Ihr Euch ja 
selber." "Seid Ihr berühmte Forscher?") Wir legten dar, daß wir 
Kinder erforschten, ihre Freundschaften, ihre Streitereien etc. 
Wir erklärten den Kindern auch, daß sie das Recht hätten, die 
Beobachtung zu verweigern. Nur ein Mädchen einer sechsten 
Klasse hat dieses Recht für sich in Anspruch genommen. Der 
wichtigste Teil des Vorstellungsgesprächs mit den Klassen be- 
trifft die Vertraulichkeit der Beobachtungen. Wir versprachen - 
und hielten uns streng an dieses Versprechen -, den Lehrern und 
den Eltern nie weiterzusagen, was wir sehen würden oder von den 
Kindern erzählt bekämen, auch wenn es etwas wäre, was man 
eigentlich nicht tun sollte. Die Schüler aller Klassen merkten 
schnell, daß wir die Wahrheit sagten, weil sie feststellen 
konnten, daß die von uns beobachteten verbotenen Handlungen 
niemals durch unser Zutun zu Konsequenzen führten. Daher betru¬ 
gen sie sich bald sehr ungeniert, und wir lernten auf diese 
Weise Aspekte des Kinderlebens kennen, die sich uns ohne dies 
Versprechen sicherlich weniger deutlich erschlossen hätten. Wir 
haben lange die ethischen Aspekte dieses Vorgehens diskutiert 
und waren uns der Grenzen einer derartig "neutralen" Haltung
	        
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