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2. Untersuchungsanlage und -methoden
Unsere Sozialisationsfragestellung war zwar von Beginn an inso-
fern eingeschränkt, als wir nur dem Einfluß der Gleichaltrigen
auf die Entwicklung sozialer Fähigkeiten nachgehen wollten und
die Einflüsse anderer Sozialisationsinstanzen wie etwa Eltern
und Schule ausklammerten. Die Fragestellung war aber insofern
auch breit angelegt, als wir auf dem Gebiet "Sozialisation
durch Gleichaltrige" allen Verästelungen des Problems besonders
auch in Bereichen, von denen wenig bekannt war, nachgehen woll-
ten. Wir beabsichtigten, in einem Feld intensiv zu explorieren,
das durch die Piaget-Sullivan-Youniss-These zwar abgesteckt,
aber nur ansatzweise erhellt war. In einer derartigen For-
schungssituation ist es naheliegend, qualitative Methoden zu
wählen, weil es diese ermöglichen, neue und unerwartete Phäno¬
mene und Zusammenhänge zu entdecken und Konzepte aus den Daten
heraus zu entwickeln (B. G. Glaser/A. L. Strauss 1967).
Von zentraler Bedeutung für jede Sozialisationstheorie sind die
Prozesse, in denen Sozialisation geschieht, in der direkten
Interaktion, im Zusammenhandeln sich gegenseitig beeinflussen-
der und in Rechnung stellender Menschen. Aus forschungsprakti-
schen und ökonomischen Gründen werden aber meist Befragungen
durchgeführt, d.h. bestenfalls wird über Prozesse gesprochen,
oft werden Aussagen über Sozialisationsbedingungen und Ergeb¬
nisse zueinander in Beziehung gesetzt (z.B. bei M. L. Kohn
1977, M. L. Kohn u.a. 1986 über Arbeitsplatzerfahrungen, Werte
und Erziehungspraktiken oder bei K. A. Schneewind u.a. 1983
über ökologische Bedingungen, Erziehungsmuster und Persön-
lichkeitszüge der Kinder). Als Ergänzung solcher Untersuchungen
beabsichtigten wir, die Interaktionsprozesse selbst zu ana-
lysieren. Die adäquate Methode hierfür schien uns die
Beobachtung derartiger Prozesse in natürlichen Umwelten zu
sein. Die teilnehmende Beobachtung von Interaktionen unter
Kindern, wie sie unbeeinflußt von Erwachsenen ablaufen,
erbrachte den Kernbestand unserer Daten. Bestimmte Infor-