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einen ganzen Himmel wohl in ihm! Daß doch
aber ein jeder Christ diesen Himmel, den ein Kind
seit seiner Taufe in sich trägt, nach seinem wahren
Wert zu schätzen wüßte! Ach, so mancher lernt ihn
dann erst schätzen, wenn er ihn verloren hat. Kein
Wunder also daß einem solchen beim Anblick eines
Kindes um Herz werden mag, wie jenem, der da sang:
Du siehst mich an und kennst mich nicht,
Du liebes Engelangesicht!
Die Wünsche weißt du nicht, die reinen,
Die du so unbewußt erregt.
Ich muß mich freu'n und möchte weinen:
So hast du mir mein Herz bewegt.
Kenn' ich dein Glück, du kennst es nicht,
Du liebes Engelangesicht!
Welch schönes Los ist dir beschieden!
Wie eine Lilie auf dem Feld,
So heiter und so still zufrieden
Lebst du in deiner kleinen Welt.
Mich treibt's im Leben hin und her,
Als ob ich niemals glücklich wär';
Kann keinen Frieden mir erjagen
Und keine Heiterkeit und Ruh',
Und hab' in meinen schönsten Tagen
Nur einen Wunsch: wär' ich wie du!
Ein solches Glück aber, wieres da ein Kind in seiner
Taufunschuld besitzt, ist es wohl wert, daß die gottbe¬
rufenen Hüter, Vater und Mutter, treue Aufsicht führen,
damit nicht Heiden zerstörend einbrechen in den jungen
Tempel Gottes und das himmlische Kleinod rauben;
infolge dieses schmerzlichen Verlustes gliche ein Kind
dann jener weggeworfenen Rose, von der es im Liede
heißt:
Ein Rose liegt am Weg zertreten,
Und ein ganzer Himmel wohl in ihr!
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Digtalisierungsvorlage:
irzbischöf
Max Planck Institute for Hluman Developme