Full text: Hammer, Philipp: ¬Der christliche Vater in seinem Berufe

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zu stellen als sein Gewissen, um Kredit zu haben. Von 
vielen Tausenden kann doch aber heutzutage nicht mehr 
bezeugt und versichert werden, daß sie Gewissen, wohl 
aber, daß sie keins haben. Denn woher kommt es, 
daß wir jetzt täglich so viel von wahren und falschen 
Bankerotten, Betrügereien, Meineiden, Diebstählen, aller¬ 
lei Attentaten auf Eigentum, Sittlichkeit und Leben zu 
hören bekommen? Das kommt von der großen Ge¬ 
wissenlosigkeit her, die jetzt bei gar vielen geringen und 
vornehmen Leuten Mode ist. Viele verdienen eben 
keinen Kredit, weil sie kein Credo, keinen Glauben 
haben. Wo aber kein Glaube, da ist auch kein Ge¬ 
wissen, und wo kein Gewissen, da — ich habe es schon 
einmal gesagt, taugt der Mensch nichts, nichts in der 
Kirche, nichts im Staate, nichts in der Gemeinde, nichts 
in der Familie: man kann ihm eben nirgends trauen. 
Wer also ein rechtschaffener Bürger sein will, muß 
Gewissen haben. 
Ein christlicher Bürger muß Ehrgefühl be¬ 
sitzen. Bei den meisten Urteilen, die heutzutage über 
schwere Verbrechen gefällt werden, wird fast regelmäßig 
als besondere Verschärfung der Strafe mehrjähriger 
Verlust der Ehre ausgesprochen. Wollte man 
aber allen, die bereits ihre Ehre verloren, dies öffent¬ 
lich oder gerichtlich konstatieren lassen, so hätte man 
große Arbeit zu thun. Denn fast möchte man glauben, 
der englische Dichter Shakespeare habe auch heut¬ 
zutage noch recht, wenn er sagt: „Ehrlich sein, wie 
es jetzt hergeht in der Welt, heißt der einzige Auser¬ 
wählte unter Zehntausend sein". Wo aber die Ehre 
gänzlich abhanden gekommen, und das Ehrgefühl nur 
mehr in dem Gedanken besteht: „Bisher ist es mir 
gelungen, über meinem Thun und Treiben von der 
Polizei nicht erwischt zu werden, ich werde auf der 
Hut sein, daß sie mich auch fernerhin nicht erwischt", 
Digitalisierungsvorlage: 
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Max Planck institute for Hluman Developme
	        
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