119 -
Strudel der Verführung, wenn alle übrigen
Wahrheitslehren der Schule längst ver¬
schwunden waren." Das sind aber in der That be¬
herzigenswerte Worte, wie man sie heutzutage von den
Vorständen höherer Schulen selten mehr zu hören be¬
kommt. Soll also Herz und Sinn und Lebenswandel
unserer Jugend rein erhalten werden und die Richtung
zum Himmel bekommen, so kann und darf die Religion
nicht umgangen, sie darf auf den Unterricht, auf das
bloße Wissen nicht beschränkt werden, sie muß das
Herz und all sein Wünschen und Streben, all sein
Hoffen und Lieben erfassen und durchdringen, läutern
und nach dem rechten Ziele richten, sie muß das Ge¬
wissen der Jugend werden.
Die Fabel erzählt, ein Hecht sei ins Garn geraten
und vom Fischer zum Tod verurteilt worden. Dieses
grausame Los habe er sich aber sehr zu Herzen ge¬
nommen: er wollte noch nicht sterben. Darum habe
er sich aufs Bitten verlegt und an des Fischers Barm¬
herzigkeit appelliert: „Verschone meiner, denn ich trage
".
die Leidenswerkzeuge deines Erlösers in meinem Kopfe
Der Fischer aber wußte, daß der Hecht, trotzdem er die
Leidenswerkzeuge, womit Christus gekreuzigt wurde,
Kreuz und Leiter, Schwamm und Lanze im Kopfe
trage, doch seinen Stammverwandten im Wasser uner¬
müdlich nachstelle, unbarmherzig über sie herfalle und
aus ihrem Fleische sich ein grauses Mahl bereite.
Darum gab er seinem Gefangenen einen abschlägigen
Bescheid und fügte bei: „Religion hast du wohl im
Kopf, aber keine im Herz!" Schlimmere Nachbarn
aber, als der Hecht den übrigen Fischen, können
Christen, welche Religion im Kopf, aber keine im
Herzen haben, ihren Mitchristen werden; sie wissen
dann freilich, was sie sollen, thun aber, was sie wollen;
sie kümmern sich hie und da um die rechte Redensart,
Erzbischöfliche Diöz
Max Planck Institute for Hluman Developme