Full text: Matthias <von Bremscheid>: ¬Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben

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brachte die Nachmittage und Abende in munterer 
Gesellschaft und beim Spiele zu. Sie hatte ein Dienst¬ 
mädchen, das ihr treu ergeben war und mit großer 
Willigkeit und Pünktlichkeit alle Pflichten seines schweren 
Berufes erfüllte. Dasselbe war sehr religiös und 
schöpfte aus seinem heiligen Glauben Kraft und Freu¬ 
digkeit für die Mühen und Arbeiten seines Standes. 
Eines Abends nun kam die Dame, wie gewöhnlich, 
ziemlich spät nach Hause und fand auf dem Tische ein 
geöffnetes Buch, in welchem ihr braves Dienstmädchen 
eben eine Betrachtung gelesen hatte. Sie warf einen 
flüchtigen Blick hinein und merkte sofort, daß es ein 
christliches Erbauungsbuch war und sprach darum: „O 
du arme, melancholische Seele! wie kann es dir doch 
Freude machen, in einem solchen Buche zu lesen." 
Dann ging sie zur Ruhe, konnte aber nicht einschlafen. 
Gedanken ganz ungewöhnlicher Art gingen ihr durch 
den Kopf, endlich fing sie an, bitterlich zu weinen. 
Die gute Dienerin hörte es, begab sich zu ihr und 
frug mit treuer Besorgniß, was ihr fehle. Da brach 
sie von neuem in Thränen aus und gab dann nach 
einigen Augenblicken zur Antwort: „Ach, ich habe in 
deinem Buche ein Wort gelesen, das mir keine Ruhe 
mehr läßt, das Wort „Ewigkeit". Der Gedanke an 
die Ewigkeit hatte sie erfaßt und bewirkte nun ihre 
vollständige Bekehrung. Sie erkannte jetzt auf einmal, 
wie ihr Leben ein durchaus unchristliches und zweckloses 
sei, entsagte den gefährlichen Vergnügungen und erbaute 
in Zukunft Alle durch ihr christliches Tugendbeispiel. 
Digitalisjerungsvorlage: 
1 
L 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
	        
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