Full text: Vitruvius: Des Vitruvius Zehn Bücher über Architektur

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die Endungen der Worte mit deutlichen Unterscheidungsmerkmalen 
zum Gehör gelangen. Und überhaupt ist der Bau so zu leiten, 
daß, wenn man eine Schnur von der untersten Stufe bis zu der 
obersten ausspannt, diese alle Kanten der Stufen und die Kanten der 
Abtheilungsgürtel berührt; so wird die Stimme nicht behindert 
werden. 
5. Die Zugänge müssen in großer Zahl und geräumig angelegt 
werden, und nicht so, daß die oberen mit den unteren in Verbindung 
stehen, sondern sie müssen von allen Plätzen aus ununterbrochen und 
gerade ohne Windungen geführt werden, damit das Volk, wenn es 
vom Schauspiel entlassen wird, nicht gedrängt werde, sondern von 
allen Plätzen aus gesonderte und unbehinderte Ausgänge habe. 
Auch muß man sorgfältig darauf sein Augenmerk richten, daß der 
Ort nicht dumpftönend sei, sondern daß an demselben die Stimme 
sich möglichst hell ausbreiten könne. Dieß wird aber geschehen kön¬ 
nen, wenn ein Ort ausgewählt ist, wo die Stimme nicht durch Wider¬ 
hall gestört wird. 
6. Die Stimme aber ist ein fließender Hauch und in Folge der 
Luftbewegung durch das Gehör vernehmlich; sie bewegt sich in un¬ 
endlichen kreisförmigen Rundungen fort, wie in einem stehenden 
Wasser, wenn man einen Stein hineinwirft, unzählige Wellenkreise 
entstehen, welche wachsend sich so weit als möglich vom Mittelpunkte 
ausbreiten, wenn nicht die beengte Stelle (des Wassers) sie unter¬ 
bricht, oder irgend eine Störung, welche nicht gestattet, daß jene 
kreislinienförmigen Wellen bis an's Ende gelangen; denn so bringen 
die ersten Wellenkreise, wenn sie durch Störungen unterbrochen wer¬ 
den, zurückwogend die Kreislinien der nachfolgenden in Unordnung. 
7. Nach demselben Gesetze bringt auch die Stimme solche Kreis¬ 
bewegungen hervor, aber im Wasser bewegen sich die Kreise auf der 
Fläche bleibend nur in der Breite fort; die Stimme aber schreitet 
einerseits in der Breite vor und steigt andererseits stufenweise in die 
Höhe empor. Wenn also, wie im Wasser bei den Kreislinien der 
Wellen, so auch bei der Stimme keine Störung die erste Welle unter¬ 
bricht, so bringt diese weder die zweite, noch die folgenden in Unord¬ 
nung, sondern alle gelangen ohne Widerhall zu den Ohren der ganz 
unten und der ganz oben Sitzenden.
	        
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