Full text: Zweyter Band (2)

M. VITRUVIUS P. BAUKUNST. 
Bey den übrigen Ländern muss man auf gleiche Weise mit dem 
gehörigen Temperament, je nach Beschaffenheit des besonderen Kli¬ 
mas, verfahren. Man hat hiebey nur die Natur der Dinge zu beob¬ 
achten, und besonders auf die Bildung und Leibesbeschaffenheit der 
Völker Acht zu haben. An den Orten, wo die Sonne nur eine mälsige 
Wärme verbreitet, da ist die Leibesbeschaffenheit der Einwoliner ge¬ 
mässiget ; an denen aber, wo sie wegen ihrer grossen Nähe alles ver¬ 
brennt, da trocknet sie die mildernde Feuchtigkeit der Körper auf: 
Hingegen in dén kalten Ländern, die weit vom Mittage abliegen, 
wird die Feuchtigkeit den Körpern nicht durch die Hitze entzogen; 
sondern die thauige Luft dieser Himmelsstriche theilt denselben noch 
mehr Feuchtigkeit mit, wodurch denn ein sehr grosser Körperbau, 
und ein rauher Klang der Stimme entstehen. Daher haben auch die 
Bewohner der Nordländer eine ausnehmende Leibesgrölse, weilse 
Farbe, schlichtes und blondes Haar, blaue Augen, viel Blut; weil sie 
Feuchtigkeit im Überflufs haben und ein kaltes Klima. Diejenigen 
aber, welche zunächst der südlichen Weltachse — axis meridianus, 
d. i. unter der Sonnenbahn wohnen, sind, wegen der allzu grolsen 
Hitze, klein von Statur und haben dunkle Farbe, krauses Haar, schwarze 
Augen, schwache Beine, wenig Blut. Des wenigen Bluts wegen sind 
sie auch gegen die Gefahren des Kriegs feige, aber erdulden furcht- 
los brennende Hitze und Fieber, weil sie gleichsam in der Glut auf¬ 
erzogen sind; da hinwiederum der nördlichen Länder Bewohner sich 
verzagt und schwach in Krankheiten, wegen der Fülle des Bluts aber 
beherzt in den Gefahren des Kriegs bezeigen. 
So hat der Ton der Stimme bey den verschiedenen Völkern 
gleichfalls seine Verschiedenheiten; weil die Grenzlinie — termina¬ 
tio — des Osts und Wests bey der waagrechten Stellung — libratio —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer